Goldschmiedeforum
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Bearbeitung von Gehörn/Geweih vom Reh/Hirsch

 
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tatze-1
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tatze-1

 ·  #1
Hallo Ihr Lieben,

ich hätte da mal wieder eine fachliche Frage aus dem weitreichenden Arbeitsfeld des Goldschmiedes ;-)

Ich habe den Auftrag von einem Kunden bekommen, aus einer Geweihstange, die er mir mitgebracht hat (ich nehme an, sie stammt vom Reh), für sein gedehntes Ohrloch einen Plug herzustellen. Sprich, Scheibchen abschneiden, Plug in die richtige Form und Länge drehen, fertig machen und dann ab ins Öhrchen damit. Soweit die Aufgabenstellung. In der Phantasie recht simpel herzustellen, wie ich meine.

Nun mein Problem. Ich habe noch nie mit Gehörn gearbeitet, denn ich bin weder Hirschhornschnitzer noch Elfenbeinschnitzer, will mich aber der Herausforderung stellen und weitere Erfahrungen dadurch sammeln. Kann mir jemand sagen, wie so ein Gehörn aufgebaut ist? Damit meine ich, gibt es poröse Bereiche, die man für Ohrschmuck idealerweise meiden sollte wegen Dreckablagerung und Infektionsgefahr? Wie verfahre ich am besten bei der Bearbeitung (hab mal gehört, es ist besser, das Gehörn vor Bearbeitung eine halbe Stunde in Wasser einzuweichen)? Womit poliere ich das Teil idealerweise?

Ich hab mal ein grausiges Foto von dem Gehörn gemacht, damit Ihr Euch ein Bild machen könnt. Sorry für die hervorragende Qualität, aber diese Digicam ist der letzte Dreck (das mußte mal gesagt werden).

Danke schon mal für etwaigen Input, den ich von Euch bekommen kann.
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Information: Gehörn vom Reh oder Hirsch. Wo setze ich die Säge an *grübel*?
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #2
Aussendurchmesser des gewünschten Scheibchens + 10-30%. Dann mit der Schieblehre zwischen den ehabenen Noppen messen also den geringsten Durchmesser.
Normalerweise ist so ein Gehörn bis auf die untersten 3-5 cm komplett dicht.
Du kannst also auch mittendrinn die Säge ansetzen und einfach mehr abdrehen bis Du auf Dein Maß kommst. Die Empfehlung oben war nur aus Sparsamkeit im Umgang mit dem Material gegeben.
Schleifen, drehen und polieren ist sehr leicht, noch einfacher als bei Harthölzern weil es nicht splittert.
Beim Polieren aufpassen das es nicht zu heiss wird, also mit geringem Druck an die Scheibe und immer wieder unterbrechen.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #3
um nochmal nachzuhaken: wie sieht das mit dem Gerücht des Einweichens aus? Würdest Du das machen oder nicht, um es besser bearbeiten zu können?
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #4
Nein - nicht "einweichen". Welcher Vorteil soll damit verbunden sein? Eher das Gegenteil wird der Fall sein. Horn ist (wie es ist) ein toller Werkstoff, da wirst Du Freude dran haben. Frag am besten gleich, ob Du Dir ein Stück für Dich absägen kannst.
Samson
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Samson

 ·  #5
Ich würde auch sagen Rehwild :)
Einatmen würde ich den Schleifstaub besser nicht, ansonsten stinkt es beim bearbeiten ziemlich, finde ich :( Es fasst sich poliert aber gut an und nimmt die Körperwärme gut auf, ein schöner Werkstoff wie oben schon gesagt.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #6
Mario, ich habe gelernt, daß Geweihe, welche wohl offiziell Gehörn heißen (wenn ich meinem Förster-Klassenkameraden glauben darf), Knochen sind und nichts mit Horn zu tun haben (steht auch im Brepohl drin). Einweichen wurde, glaube ich, in einem Messerforum empfohlen, um das Material leichter bearbeitbar zu machen und daß es nicht so staubt, wie Samson schon bemerkt hat.

Da mein Kunde häufiger nach Kärnten kommt, wo diese Gehörne wohl "mitnehmbar" rumliegen, werde ich wohl den Rest behalten dürfen :-)
Tilo
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Tilo

 ·  #7
tatze-1
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tatze-1

 ·  #8
interesting :-)
Edelstein
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Edelstein

 ·  #9
Das Zeug lässt sich auf Edelsteinschleifmaschinen sehr gut verarbeiten. Leicht feucht, damit es nicht stinkt und staubt. Polieren mit Filz, geringe Drehzahl, immer feucht halten.
Feilen und Bohren allerdings immer trocken, sonst setzt das Werkzeug zu. Überhitzung beim Bohren vermeiden, also langsam und mit Pausen.
Fräsen sollte auch gehen, je nach Härte des Teilstücks leisten Schnitzmesser gute Dienste.
Ehrlich gesagt mag ich das Material aber nicht sonderlich.
Direkter Hautkontakt könnte übrigens zu Allergien führen und wird das Teil ausserdem durch Schweissabsonderungen sehr schnell unansehlich machen. Ist auch ein guter Nährboden für Pilzsporen und Bakterien.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #10
sooo, mal ein Zwischenbericht zu meinem Gehörn :-)

Ich habe meinen Klassenkameraden angerufen, der hat Forstwirtschaft studiert, also dachte ich, er könnte mir was über das Innenleben der Gehörne erzählen. Pustekuchen, über die Außenseite ja, aber nichts Tiefgehenderes.

Also schritt ich zur Tat, den Angaben von Heinrich folgend. So schnitt ich mir ein Stückchen von dem Gehörn ab. Ich muß sagen, ging erstaunlich gut, hätte ich nicht gedacht. Mit dem Stückchen und einer Zeichnung ging ich dann zu meinem Fertigungsleiter, der der Drehbank mächtig ist, und er drehte mir den Plug wie ich ihn haben wollte (haben wir trocken gedreht mit PKD-Werkzeug). Das ging auch sehr gut. Haben wir beide was gelernt, denn mein Kollege hatte sowas auch noch nicht gemacht. Das Zwischenergebnis zeige ich Euch mal hier, denn mein Kunde mag da jetzt gerne noch ein bißchen Design in Form von Silbereinlagen haben. Und da wir grad so schön in Übung sind, werden noch 1-2 weitere Plugs gemacht (je nach dem wieviel mir das Gehörn noch abwirft) und die zu Tunneln gemacht (also mit Bohrung in der Mitte).
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Information: So sah das Ding vorher frisch abgeschnitten aus. Sorry die Bildqualität, war meine alte Kamera
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Information: Plug von der Seite
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Information: Plug von oben
Edelstein
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Edelstein

 ·  #11
Was es nicht alles gibt...
Ist die abgedrehte Fläche nun "dicht" oder gibt es noch sichtbare Poren? Siehe meinen früheren Beitrag von wegen Hygiene.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #12
also sichtbare (ohne Lupe) Poren gibts an der gedrehten (konkaven) Stelle nicht, nur an den Enden, wie man das ja auch auf dem Foto mit der Draufsicht sieht. Der Plug ist noch nicht fertig, daher werde ich ihn am Ende noch polieren.

So von den Erfahrungen der Gepierceten scheint Knochenschmuck ganz gut verträglich zu sein. Diese Freaks sind aber auch in der Hinsicht recht reinlich, d.h. der Schmuck wird bei jedem Waschen rausgenommen, gereinigt und wieder eingesetzt. Von daher ist die Gefahr von irgendwelchen Infektionen schon ziemlich reduziert.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #13
Soo, nächster Schritt, da ich von dem Gehörn noch was übrig hatte, hat mein Kunde sich noch einen Tunnel für sein 10mm Ohrloch gewünscht. Hab ich doch glatt mit meinem Fertigungsleiter an der Drehbank realisisert.

Ottomar, was die Hygiene angeht. Ich habe die Tage mal mit einem Hirschhornschnitzer, der ja täglich mit dem Material zu tun hat, telefoniert, weil ich wissen wollte, wie und ob man das konservieren oder versiegeln muß und wie man den Schmuck pflegt. Er sagte mir, daß naturreines Gehörn absolut hautverträglich ist und nicht versiegelt werden muß. Noch nicht mal mit Bienenwachs oder so. Zur Reinigung meinte er, daß Abreiben mit einen trockenen Tuch reichen würde. Und um den Ohrschmodder zu entfernen solle man den Schmuck mit Apfelessig abreiben und den Essig danach verdunsten lassen.
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Information: Tunnel von der Seite
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Information: Tunnel von oben
Edelstein
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Edelstein

 ·  #14
Der Essig dient zum Abtöten von Pilzsporen. Gutes Mittel. Wenn der Kunde das organische Material sonst verträgt ist es ja gut.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #15
Ich hab das Zeug ja jetzt noch poliert mit Glanzwachs für Naturstoffe. Jetzt sehe ich aus wie ein Schneemann, weil die Schwabbeln neu waren :-)

Wir werden sehen wie er es verträgt. Morgen hab ich Termin :-) Und einen Plug gibts dann noch nächste Woche. An jedem Ende eine Einlage aus Silber und zwar ein Baßschlüssel und ein Violinschlüssel. Dann ist dieses Thema erst mal durch.
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