Schmuck-Themen allgemein
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es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen...

 
Khalida
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Khalida

 ·  #1
aber Übung macht den Meister!


ich hätte hier eine Frage an die anwesenden Fachleute.

also:

wie ist das, wenn man das allererste Mal in der Ausbildung mit Gold, Silber, Platin, Edelsteinen, Uhrwerken und all diesen anderen hübschen Dingen arbeiten darf?

Hat man da eventuell etwas Scheu vor dem kostbaren Material?

Selber machen dürfen ist wohl wesentlich besser als nur zuzuschauen, nehm ich an.

ich bin ja branchenfremd eigentlich, aber es würd mich sehr freuen, wenn es Antworten gäbe. echt. vielleicht mag sich ja der eine oder die andere an seine/ihre ersten Schritte erinnern. könnt nicht nur für so neugierige Leute wie mich interessant sein, sondern vielleicht auch für den Nachwuchs in Ausbildung.

bin gespannt, ob was kommt und freu mich schon darauf, das dann zu lesen.
Khalida
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #2
Zitat geschrieben von Khalida
wie ist das, wenn man das allererste Mal in der Ausbildung mit Gold, Silber, Platin, Edelsteinen, Uhrwerken und all diesen anderen hübschen Dingen arbeiten darf?


Das ist eine tolle Frage, weil ich heute gern daran zurück denke. Anders als bei manch anderen hier im Forum war ich "branchen-fremd". Ich hatte also überhaupt keine Ahnung, was da auf mich zu kommen würde. Ich habe noch immer den Geruch des Kupfers meiner ersten Übungsarbeiten in der Nase und ich weiß noch sehr genau, wie aufgeregt ich war, wenn ich die Werkstatt betreten durfte - die schwarzen Kohlen und die kleinen gelben Flammen und dieser eigentümliche Geruch.
Ich schweife ab - also, ich war super stolz, als ich das erste Mal mit Gold arbeiten durfte. Ich habe alles zehn mal nachgemessen, bevor ich gesägt, gefeilt und gelötet habe. Irgendwann war er dann fertig, der Kreuz-Anhänger aus - 333 "echt Gold" :twisted:
Tja, heute bestimmt eine Lachnummer aber ich wusste damals noch nichts vom "Edelmessing" mit seinen herausragenden Eigenschaften. Ich habe mich damals einfach gefreut.

Beim ersten Platin-Kontakt war es anders. Eine Art von Respekt, ja. Aber nicht mehr diese, mir fällt da kein anderes Wort ein, regelrechte Ehrfurcht. Edelsteine, Perlen usw. habe ich durch die Arbeiten am Poliertisch und beim Auswaschen der Schmuckstücke kennen gelernt. Uns Lehrlingen oblag das allseits beliebte Polieren der Stücke - im weißen Kittel ;) "Das darf ins Ultraschall, das nicht - musst du mit der Hand auswaschen" "Ja, aber warum denn?" "Na weil die Koralle nach dem heißen Ultraschall nicht mehr so schön aussieht!" Und so brummte der Motor an ein bis zwei Tagen in der Woche ununterbrochen vor sich hin.

Khalida, war es dieses, was Dich interessierte?
Khalida
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Khalida

 ·  #3
jaaaaaaaa
danke!

das ist toll zu lesen!
tatze-1
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tatze-1

 ·  #4
Als Schülerin war ich Stammkunde in allen möglichen Bastelläden und habe daheim aus Basteldraht, Glasperlen, Pailetten und Federn Schmuck gebastelt. So entwickelte sich der Wunsch, Goldschmied zu werden.

Ich habe meinen ersten Kontakt mit dem Edelmetall in einem Hobbygoldschmiedekurs gehabt, den ich besucht habe, um zu sehen, ob der Beruf überhaupt was für mich ist. In so einem Kurs bearbeitet man ja nicht erst Messing und Kupfer, sondern greift gleich in die Vollen. So war das allererste Stück, was ich gemacht habe, ein offener Silberring aus Runddraht, in den ich 2 Saphirchen und einen Rubin habe einfassen lassen. Unterstützung bekam ich hier allerdings auch von einer Goldschmiedin, die die Kurse geleitet hat. Das war schon aufregend.

Als ich meine Ausbildung begann, war das ein ganz anderes Feeling als in der Hobbywerkstatt. Meine Lehrwerkstatt in der Goldschmiedeschule hatte 5 Werkbankreihen à 5 Sitze, war mit allen erdenklichen Maschinen und Werkzeugen ausgestattet und separatem Schmelz- und Säureraum. Und jeder Lehrling mit seinem eigenen Werkzeugkoffer mit Werkzeug, von dem zu dem Zeitpunkt keiner eine Ahnung hatte, wozu das überhaupt gebraucht wird. Inzwischen weiß ich's ;-) Auch wir hatten weiße Kittelpflicht (wenn man den, inzwischen durch die Säure schweizer Käse, den ich heute noch besitze, noch als Kittel bezeichnen kann).

Die ersten Übungsarbeiten in Messing fand ich äußerst aufregend und versuchte, so perfekt wie möglich zu sein. Als es dann zum ersten Mal nach einem halben Jahr ans Silber ging, war das für mich so wie für einen Künstler das leere Blatt Papier. Die Angst vor dem ersten Pinselstrich. Dieses Gefühl ist bis heute geblieben, wenn ich Edelmetall in die Hand nehme, um etwas daraus zu fertigen.

Edelsteine und Perlen lernte ich während des Theorieunterrichts in der Schule kennen. Ein Einstieg in eine, wie ich finde, unheimlich spannende Welt. Anfangs wußte ich gar nicht, daß es sooo viele Edelsteine gibt, ich kannte halt nur die bekannten Diamant, Saphir, Rubin, Smaragd und das, was in den Bastelläden als Halbedelstein verkauft wurde. Hatte ich damals schon viel Respekt vor der Welt der Edelsteine, so habe ich heute noch mehr Respekt davor, nachdem ich in der Meisterschule durch die Mikroskopie auch in das Innenleben der Steine gucken durfte. Ein eigener Kosmos, viel schöner als der eigentliche geschliffene Stein. Und sowas ist ein Produkt unserer Natur. Faszinierend!!!

Rückblickend und auf heute schauend kann ich für mich sagen, daß sich jedes Mal eine faszinierende und spannende Welt für mich öffnet, wenn ich mich an den Werktisch setze und traditionell halb unter dem Tisch verschwinde, weil man so tief sitzt, mit dem Fell auf dem Schoß und dem Feilnagel vor der Nase.
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #5
Zitat geschrieben von tatze-1
Auch wir hatten weiße Kittelpflicht (wenn man den, inzwischen durch die Säure schweizer Käse, den ich heute noch besitze, noch als Kittel bezeichnen kann).

Ich glaube, ich bin fünf oder sechs Jahre in den Dingern rumgelaufen. Stellt euch das bildlich vor: im Sommer, wenn es so richtig heiß war, kurze Hose, Schlappaletten, behaarte Fußballerwaden und so'n Kittel - die Damenwelt war schwer beeindruckt - jedenfalls haben die sich immer so komisch weg gedreht. Bestimmt sollte ich die begehrlichen Blicke von denen nicht mitbekommen. Und jetzt fällt mir auch wieder ein, dass ich so nie in den Laden zu den Kunden gehen brauchte ;)

Und das Beste war - Mutter war immer der Meinung, nur ein gestärkter weißer Kittel ist ein guter Kittel. Es hat immer zwei Tage gedauert, bis ich mich wieder darin bewegen konnte...

Mann, was die alles mit uns angestellt haben!
tatze-1
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tatze-1

 ·  #6
:lol:
Oh ja. Eigentlich ist son Ding ja ganz praktisch, um seinen halben Werkzeugkoffer in den Taschen rumzuschleppen und ihn als Handtuch zu verwenden. Inzwischen ziehe ich meinen schweizer Käse aber nur noch zum Poliermotorreinigen an. Dafür taugt er allemal noch.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #7
ich habe mich gerade an einen Text erinnert, den ich vor 10 Jahren von meinem damaligen Meister bekommen habe, der den Lehrlingsalltag eigentlich sehr realistisch darstellt. Sollte es irgendwelche Probleme mit dem Copyright geben, bitte ich den administrativen Oberguru, diesen Post zu löschen. Danke.

Läuterung zum Goldschmied

Begrüßungsansprache zur Freisprechungsfeier der Goldschmiedelehrlinge in München von Obermeister Hans Hilz aus Straubing.

„Verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Obermeister von Niederbayern möchte Sie ganz herzlich begrüßen und freut sich, daß er drei Prüflingen den Gesellenbrief überreichen darf. Sie, die Junggesellen, haben einen Traumberuf erlernt, um den Sie viele beneiden und bewundern. Warum dem so ist, weiß eigentlich kein Mensch, denn die Ausbildung zum Goldschmied ist ein wahrer Leidensweg, der mit Frust, Enttäuschung und Niedertracht gepflastert ist.

Nur ganz außergewöhnliche Menschen wählen diesen Weg und stehen ihn auch bis zum Ende durch. Goldschmiede-Azubis gehören zu dieser besonderen Gattung. Sie sind meist beiderlei Geschlechts, davon aber überwiegend und in der Mehrzahl weiblich, haben in der Regel Abitur oder im günstigsten Fall Mittlere Reife. Nach Hauptschülern fahndet die Branche vergeblich, denn diese fragen bereits beim Arbeitsamt, was bei diesem Geschäft zu verdienen ist. Sie sind dann für diese Branche verloren, werden Bankkaufmann oder studieren im zweiten Bildungsweg Lehramt.

Verblendet vom Glanz des Goldes und der Magie der Steine, beginnt nun der Traumberufene seine Ausbildung, ohne zu ahnen, was ihm bevorsteht. Die Stätte seines Wirkens entpuppt sich zumeist als chaotischer Raum, voller undefinierbarer Gerätschaften, der dringendst eines Malers bedürfte.

Anstatt das Gold zu schmieden, muß er erst einmal Unmengen von Messing zersägen; in Streifen, in Scheiben, in Quadrate und Muster. Schmerzlich erfährt er jetzt, welches blutige und gefährliche Handwerk er sich ausgesucht hat. Zersplitterte Sägenteile bohren sich locker in Daumen und sonstige Finger und machen diese im Lauf des Jahres durch gelegentliches Einsägen schmerzunempfindlich. Bohren und Feilen bergen die gleichen Gefahren, und so beendet der Azubi, täglich frisch verpflastert, in den ersten Monaten sein Tagewerk.

Die Illusion vom Traumberuf schwindet mit jedem Tag, und ein verstaubtes Schild an der Wand mit dem sinnigen Spruch ’Lehrjahre sind keine Herrenjahre’ wirkt auch nicht gerade tröstlich.

Der Gedanke, doch Psychologie zu studieren, drängt sich ins Bewußtsein, doch Durchhalten ist darum die Devise.

Neues ist angesagt – löten, die letzte Hürde. Gefährlich und schmerzhaft wie alle bisherigen Tätigkeiten, und noch dazu mit Gestank verbunden. Letzterer kommt von verbrannten Haaren, die, wie zu spät bemerkt, die eigenen sind. Mit Beginn des Lötens verändert sich nicht nur die Haartracht, sondern auch das Outfit erlebt einen sichtbaren Wandel. Langsam, fast unmerklich, fallen kleine und größere Löcher in die Kleidung. Ursache hierfür sind Spritzer von verdünnter Schwefelsäure, die zum Abbeizen der nun gelöteten Werkstücke benötigt wird. Dies erfährt der Betroffene allerdings erst, nachdem ein Großteil seiner besten Garderobe bereits ruiniert ist. Mit einer dem Feuer angepassten Frisur, bekleidet mit den ältesten Klamotten und auch sonst nicht mehr ganz froh im Herzen, beginnt unser angehender Goldschmied nicht nur seine Arbeit, sondern auch seinen Feierabend. Lange kann’s ja wohl nicht mehr dauern, bis man in die Gestaltungsprozesse eingreifen kann.

Es kommt aber ganz anders, denn jetzt beginnt der Psychoterror mit der Übung ’Wir fertigen Fassungen’. Da gibt es runde, ovale, vier-, recht- und achteckige, Tropfen, Herzen und noch vieles mehr. Und bei allen Formen sollte das Material den vorhandenen Stein mit 4 Zehntel mm Abstand zur Außenkante umrunden. Eine unlösbare Aufgabe. Abiturienten versuchen der Lösung mit Algebra näherzukommen. Realschüler probieren den pythagoreischen Lehrsatz. Volksschüler, wenn überhaupt vorhanden, versuchen’s mit Augenmaß.

Die Ergebnisse aller Bildungsgrade sind zumeist unbefriedigend, denn weder in der höheren Mathematik noch in der Praxis ist ein gleichschenkliges Dreieck mit drei verschiedenen Seitenlängen bekannt.
Wer das große Glück hat, in einer klassischen Goldschmiede zu lernen, dem werden von nun an wenigstens einige Stunden zur Meditation eingeräumt, die er mit dem Knoten von Perlenketten verbringen darf. Kettchen löten wird als Alternative angeboten.

Trotz erweitertem Kenntnisstand sind auch bescheidene Erfolge kaum in Sicht, denn irgendetwas geht immer schief. Scharnier festgelötet, Fassung verschmort, Broschierung verkehrt, und wenn doch mal alles klappt, dann ist wenigstens der Kader zu niedrig oder zu dick. Für alle Unkundigen: Ein Kader ist keine männliche Miezekatze, sondern die untere Umrahmung einer Brosche.

Während Selbstzweifel und Alpträume unseren Azubi quälen, verschlechtert sich sein äußerer Zustand zusehends. Die von ihm gefertigten und in den Augen des Meisters fast unbrauchbaren Werkstücke müssen nämlich auch noch geschliffen und poliert werden. Trotz größter Mühe und eines Materialabtrags von 30 % will sich der ersehnte Glanz nicht einstellen, der eigentlich alle Schwachstellen beseitigen sollte. Gleichzeitig verfinstern sich Gesicht, Hals und Hände sowie die Kleidung, denn Schleif- und Poliermittel hinterlassen einen schwärzlichen, festhaftenden Niederschlag, der nur schwerlich zu entfernen ist.

Von nun an verbringt man seine Abende mit Selbstreinigung und der Säuberung der für die Arbeit spezifischen Textilien. Wegen vermeintlicher Unfähigkeit und berufsbedingter Unattraktivität vermeiden Goldschmiede-Azubis von nun an jeglichen Kontakt zum anderen Geschlecht. Was für die Persönlichkeitsbildung auch nicht gerade förderlich ist.

Um der totalen Vereinsamung vorzubeugen, hat der Gesetzgeber darum die Blockbeschulung eingeführt. Größere Erfolgserlebnisse oder gar die Möglichkeit zu Selbstverwirklichung sind im Lehrplan dieser Institution aber nicht vorgesehen. Tröstlich darum die Worte von Herrn Wagner: ’Man lernt nie aus im Leben.’

Mit Beginn des vierten Lehrjahres verspürt unser Azubi eine leichte Verbesserung seiner Lebensqualität. Fast schmerzfrei verbringt er sein Tagewerk, zum einen, weil er kleinere Verletzungen nicht mehr registriert, zum anderen kann er zwischendurch größere ganz gut vermeiden. Seine Arbeiten finden Anerkennung im Kommentar des Meisters ’Na ja, kann ma’ lassn.’ Man wäre fast glücklich, hätte er im Weggehen nicht noch gemurmelt: ’Wennst as jetzt noch in der Hälfte der Zeit gemacht hättst, dann kannt mas sogar vakaffa.’

Die langsam bevorstehende Gesellenprüfung lässt alle Arten von Demütigungen vergessen, denn die Gedanken kreisen nunmehr ums Gesellenstück. RingBroscheAnhänger – Collier. Ein Ereignis für die gesamte Branche – oder wenigstens für die Verwandtschaft soll es sein – und das in 32 Stunden. Mit der Entscheidung, nun doch eine als Anhänger und Krawattenklammer zu verwendende Brosche zu fertigen, ist eigentlich das Schlimmste bereits überstanden. Der Rest muß nunmehr gemacht werden. Glückliche Tage am Ende eines langen Leidensweges.

Sie haben es geschafft, liebe Jungesellinnen, Junggesellen, und wer eine Goldschmiedelehre unbeschadet überstanden hat, der fürchtet weder Tod noch Teufel, und um dessen Zukunft braucht sich keiner mehr zu sorgen.
Ich freue mich mit Ihnen und hoffe, daß Gold- und Silberschmied doch noch ein Traumberuf für Sie wird“.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #8
Sehr schön geschrieben und so lebensnah! :-)

Beim Lesen dieser Zeilen fällt mir mein erster Kontakt zu Silber ein:

Tagsüber mit dem Malträtieren von Messing befasst, wollte ich wenigstens nach Feierabend ein (fast) vollwertiger Goldschmied sein. Und so kam es, bestärkt durch meine vollmundigen Sprüche, dass sich meine liebe Mutter damals dazu hinreißen ließ, mir eine kaputte Silberbrosche mit zu geben, die dringend eines neuen Stieles bedurfte, oder doch wenigstens einer Lötung, da dieser in Nähe des Scharnierböckchens abgebrochen war. Er war mit Pflaste an der Brosche sorgfältig angeklebt worden, wohl damit er nicht verloren ginge.

Hui, Neuland, unbekanntes Terrain. Außerdem aber, war ich des Messings vollkommen überdrüssig und bedurfte dringend als Ausgleich für diverse, wahrhafte Folterqualen des ersten Lehrjahres, seelischen Dopings. Fragte also vorsichtshalber erst einmal meinen um 2 Jahre älteren Mit-Lehrling Thomas, der mir schon ein richtiger Goldschmied zu sein schien, wie in einem solchen Fall, am Besten vorzugehen sei.

Die Antwort empfand ich als entsetzlich: "Lass dich nur nicht vom Boss erwischen, ich glaub du spinnst!" Ich war völlig zerstört. Zudem zehrte die mütterliche Erwartungshaltung mächtig an meinem Selbstbewusstsein.

In den folgenden Tagen und Wochen, machte ich neben meinen geisttötenden und schmerzhaften Sägeübungen, einen heimlichen Fernkursus im Löten: Aus allen erdenklichen Positionen beobachete ich Halbgott Thomas (der Vollgott war ja der Boss, diese Bezeichnung konnte nicht mehr vergeben werden) bei seinem vituosen Umgang mit dem Lötrohr.

Dann endlich war er da, der Samstag an dem ich unbeobachtet war. Thomas hatte frei und der Chef musste nach Oberstein, um bei Otto Simon auf der Wasenstraße etwas zu besorgen. Und ich, ich sollte meinen sonnabendlichen Putzpflichten nachkommen. Hab ich auch und zwar in Windeseile. Aber vorher, ja, vorher habe ich diese Brosche auf eine Kohle gelegt, habe mir ein Stück Lot und meinen abgebrochenen Nadelstiel geschnappt, mit Borax beschmiert, so wie Thomas es machte, habe mit dem Pforzheimer Püsterich ein Stück Lot erwärmt, habe dieses mit dem Borax an den Nadelstiel geklebt, an die Bruchstelle manöveriert, gepustet, gezittert, gewonnen! Die Nadel saß fest. Etwas krumm zwar, aber dagegen gab es ja den Hammer und Schmirgellatte. Nach ein paar Minuten sah das Ganze, jedenfalls aus meiner Sicht, schon ganz gut aus. Als besonderen Gag probierte ich auch gleich den größten Trick von Halbgott Thomas aus: In eine Flachzange nam ich den hinteren Teil der Nadel die ich angelötet hatte, der vordere war in einem Stiftklöbchen eingespannt. Alles abgeguckt! Dann ein oder zwei Drehungen, der Stiel war noch dran, und wie er federte!

Wie die Werkstatt dann doch noch sauber geworden ist, vermag ich nicht mehr zu erinnern, nur eines weiß ich noch: Ich war verdammt schnell, jedenfalls verlief der Samstag auch nachdem der Allgewaltige wieder aus Oberstein zurückgekehrt war, und sich auch mein Pulsschlag wieder normalisiert hatte, vollkommen normal. Die verlorene Zeit habe ich in meiner Euphorie wohl locker wieder aufgeholt.

Ja, und noch was: Weder der Thomas noch der Vollgott haben jemals etwas von meinem fühen Ausflug in die Gefilde der Schwarzarbeit erfahren. Und ich, ich bin später ein begnadeter Löter geworden. Sagten jedenfalls die Leute...

Das war sie, meine erste Begegnung mit Silber. Spannend bis zum Gehtnichtmehr und stressig! Übrigens habe ich erst viele Jahre später, beim Ordnen des Nachlasses meiner Mutter festgestellt, dass der Nadelstiel einen gelben Punkt hatte. Da hatte ich wohl das falsche Lot erwischt! Aber er hält noch heute, über 50 Jahre später.
Khalida
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Khalida

 ·  #9
schön, spannend und interessant, das alles zu lesen.
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