Ist ja interessant, was so ein abgebrochener Ohrsteckerstift für eine Diskussion anleiert
Ich habe meinen ersten Ohrring mit 16 bekommen. Hm, schon ne ganze Weile her. Mein Bruder hat mir das Ohrringstechen geschenkt. Inzwischen darf ich fünf Ohrlöcher bestücken. Was ein Heckmeck.
Ich selber habe bei meinem alten Arbeitgeber auch Ohrringe stechen müssen. Wir hatten uns aber eine Altersgrenze gesetzt, nämlich 3 Jahre, weil wir sicher gehen wollten, daß das Kind seinen Eltern sagen kann, wo es weh tut, sollte sich das Loch entzünden. Was hatten wir Diskussionen mit Leuten, die ihre Säuglinge bereits löchern lassen wollten. Wahnsinn.
Nun ist dieses Piercen, egal welcher Körperteile, ja auch rechtlich gesehen eher problematisch. Otto Normalverbraucher und viele Juweliere und Fachkollegen wissen ja gar nicht, was bei einem simplen Ohrring für Verordnungen und Gesetze in Kraft treten:
- Bedarfsgegenständeverordnung
- Hygieneverordnung
- Strafgesetzbuch
- Jugendschutzgesetz
um nur einmal ein paar zu nennen.
Die Bedarfsgegenständeverordnung regelt neben 1000 anderen Dingen auch die Sache mit der Nickelabgabe z.B. des Stabes des Erstohrsteckers aus Chirurgenstahl, der "dazu bestimmt ist, bis zur Epithelisierung des Wundkanals im menschlichen Körper zu verbleiben" (siehe auch BedGgstV).
Die Hygieneverordnung sieht neben sterilen Werkzeugen und sterilem Schmuck auch die Sauberkeit des Arbeitsplatzes, das Tragen von Handschuhen, Mundschutz und Augenschutz und allgemein hygienisch einwandfreies Arbeiten vor. Mal ehrlich, bei wievielen Juwelieren und Goldschmieden, die Ohrringe schießen, findet man wenigstens Einmalhandschuhe und Mundschutz? Beim Piercer ja, denn da achtet je nach Zuständigkeit das Gesundheitsamt oder das Ordnungsamt drauf.
Strafgesetzbuch, wird sich so mancher fragen? Jaaa, im Sinne des Strafgesetzbuches ist das Piercen (hierzu zählt auch das Ohrlochstechen!) Tatbestand der mutwilligen Körperverletzung, weil ein fremder Körper verletzt (in diesem Falle, gepierct) wird. Unter anderem DESWEGEN wird kein seriöser Piercer jemanden unter 16 piercen und dann auch nur mit Einverständniserklärung beider Elternteile und nach einem intensiven Beratungsgespräch. Der Fall wäre viel zu heikel, sollten irgendwelche Konsequenzen auftreten. Auch deswegen läßt sich jeder Piercer (hier mal alle Ausübenden in einem Begriff zusammen genommen) eine Haftungsentbindung unterschreiben.
Im Zusammenhang mit dem Strafgesetzbuch greift noch das Jugendschutzgesetz bzw. auch das BGB, nämlich vor allem aus der Sicht der Erziehungsberechtigten. Mit der Zustimmung des Piercens wird die Aufsichtspflicht von Schutzbefohlenen verletzt, welche ja eigentlich den Sinn hat, die körperliche Unversehrtheit von Schutzbefohlenen (im aktuellen Fall hier Kinder und Jugendliche) zu bewahren.
Ich weiß, ich klinge jetzt vielleicht korinthenkackerisch und Ihr werdet mir sagen, wenn dem so ist, wieso hast Du dann schon 3jährigen Ohrlöcher geschossen. Da kann ich nur antworten: meiner Meinung nach, sollte man erst ab 16 Piercings welcher Art auch immer gesetzt bekommen können. Daß ich so kleinen Kindern Ohrringe geschossen habe, habe ich nie gern gemacht. Ich habe mich auch durchaus mehrfach geweigert, welche zu schießen, wenn offen erkennbar war, daß nur die Familie außenrum Ohrringe für das Kind wollte, das Kind aber selber nicht. Ich habe nur geschossen, wenn mir das Kind vor Zeugen offen ins Gesicht gesagt hat "ich will Ohrringe haben". Daß viele Mütter total kontraproduktiv waren und dem Kind dann vor dem Schießen noch die Panik vermittelt haben, daß das nur ein Pieks ist, wie wenn der Arzt eine Spritze setzt, fand ich immer total daneben :roll:. Das hat die, vorher total entspannte Situation zur Katastrophe werden lassen mit stundenlang ohrenbetäubend brüllenden und heulenden Kindern, die, sollten sie dann mal für 3 Sekunden doch den Mut gefaßt haben, feststellen durften, daß ihre Mutter totalen Schwachsinn erzählt hat und es alles total easy gelaufen ist (Originalzitat einer 5jährigen nach einer halben Stunde Geziepe und Geheule: "War doch Babyfurz!" und dreht sich wie ein Model vor dem Spiegel stolz hin und her)