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Quo vadis, Staat?

 
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Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #1
Im neuen Jahr ein paar Gedanken über den Beruf des Goldschmieds, den Staat und Gesetze



Im Juli 1884 hast Du sehr liberale Zeilen zu Papier gebracht und gabst ihnen die Überschrift "Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren". Jeder, der wollte, konnte zwei Jahre später nach Herzenslust Feingehalte stempeln oder eben nicht. Nicht schlecht, gar nicht schlecht für die damalige Zeit.

Gold- und Silberwaren - wo waren da nur die Gedanken, gab es denn kein Platin, kein Iridium und kein Palladium? Merkwürdig – schon dreißig Jahre später wurde händeringend nach Platin-Ersatz gesucht. Weil der Preis dafür – wie sagt man so schön – durch die Decke ging! Also erfand man das Weißgold, das damals wie heute mit Palladium und Nickel legiert wurde. Ach ja, Nickel – Nickel war zu jener Zeit noch nicht böse, das kam erst später, als billige, Verzeihung, günstige Kinder-Brillen gebraucht und produziert wurden. Ja, man schob die Allergien schon immer gern dem Schmuck in die Schuhe. Ich schweife thematisch ab, 1934 wurde der Beruf Goldschmied erstmalig im Verzeichnis der Gewerbe, die handwerksmäßig betrieben werden können, aufgeführt. 1958 hast Du, Staat, die Berufsbilder Goldschmied und Juwelen-Goldschmied anerkannt. Schon acht Jahre später hast Du den Goldschmied vom Silberschmied per Erlass durch neue fachliche Vorschriften getrennt. Ganz nebenbei gefragt, warum ist jemand, der heute die Meisterprüfung im Goldschmiede-Handwerk ablegt, Gold- und Silberschmiedemeister? Merkwürdig…

…macht aber nix, denn Du hast ja auch dafür gesorgt, dass heute niemand mehr den großen Befähigungsnachweis braucht, um eine Goldschmiede zu eröffnen. Und vorsorglich wie Du nun mal bist, ging es gleich noch einen Schritt weiter, auch ein Gesellenbrief ist ebenso wenig nötig. Wer also glaubt, er kann, der soll und darf! Ach, das "muß" hast Du auch nicht vergessen – Beiträge and die Handwerkskammer sind natürlich trotzdem abzuführen. Ich bin beruhigt, wenigstens das macht wieder alle gleich.

Und der Kreis schließt sich, immer lauter werden die Rufe nach Deiner Kontrolle, lieber Staat. Es müssen jetzt beglaubigende Stempel her, denn wer weiß denn schon genau, was die da alles reinmischen – in die Legierungen. Merkwürdig…

…früher wurde uns das im zweiten Lehrjahr beigebracht – legieren. Damals in der Ausbildung, wie ist das eigentlich Staat, brauchen wir die noch?
tatze-1
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tatze-1

 ·  #2
naaa, so ganz richtig ist das aber nicht. Der Gesellenbrief wird schon noch benötigt. Wir sind ja noch nicht in der Anlage B2 ;-)
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #3
Zitat geschrieben von tatze-1
naaa, so ganz richtig ist das aber nicht. Der Gesellenbrief wird schon noch benötigt. Wir sind ja noch nicht in der Anlage B2 ;-)


Hallo tatze-1!
Ich zitiere hier einen Beitrag von Prof. Dr. Erhard Brepohl aus diesem Forum vom 1. Juni 2007 (hier nachzulesen) - er schrieb:

Zitat geschrieben von Erhard Brepohl
... Also machte ich das was sich nach meiner Erfahrung in solchen Fällen immer bewährt hat, ich wandt mich an die oberste Instanz, in dem Fall an den Zentralverband des Deutschen Handwerks, und von Justiziar Klaus Schmitz bekam ich am 25.7.06 eine leicht verständliche konkrete Ant-wort:

"Die in ihrem Brief aufgeworfenen Fragen zur selbständigen Ausübung des Goldschmiedehandwerks lassen sich relativ leicht beantworten:
Mit der Novellierung der Handwerksordnung zum 1. Januar 2004 wurde das Goldschmiedehandwerk aus dem Bereich der zulassungspflichtigen Handwerke der Anlage A zur HwO herausgenommen und dem Bereich der zulassungsfreien Handwerke (Anlage B1 zur HwO) zugeordnet.
Dies bedeutet, dass jedermann das Goldschmiedehandwerk als stehendes Gewerbe selbständig ausüben darf, unabhängig von der beruflichen Qualifikation. Damit ist selbst eine Gesellenprüfung als Voraussetzung einer selbständigen Betätigung im Goldschmiedehandwerk entbehrlich."


Kannst Du das widerlegen ;-)
Wo steht geschrieben, dass der Gesellenbrief von Nöten sei? Ich konnte damals auch nichts finden...

Fragende Grüße
tatze-1
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tatze-1

 ·  #4
ich kann es weder wiederlegen noch widerlegen ;-)

ich habe das halt so in der Meisterschule gelernt, daß man für B1 wenigstens noch den Gesellenbrief braucht, für B2 hingegen gar nix mehr außer den Willen, sich selbständig zu machen.
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #5
Zitat geschrieben von tatze-1
ich kann es weder wiederlegen noch widerlegen ;-)

Danke für das Korrekturlesen, ich habe meinen Fehler "verbessert" - nun bist Du an der Reihe ;-)

Hast Du zum Thema eine Meinung?
tatze-1
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tatze-1

 ·  #6
Sorry, ich konnte nicht anders :-)

Ich habe das 2003 tatsächlich so in der Meisterschule gelernt, aber ich lasse mich gerne weiterbelehren. Am einfachsten wäre es, wenn man direkt bei der HWK anrufen würde, aber heute ist Wochenende, daher ist der Zeitpunkt für Beweisführungen auf die Info im Internet beschränkt.

Also, ich habe jetzt gerade noch mal bei der HWK München in den FAQ folgende Definition für das zulassungsfreie Handwerk gefunden:

"Ein zulassungsfreies Handwerk kann ohne einen Qualifikationsnachweis, wie den Meisterbrief, selbständig betrieben werden. In diesen Berufen kann jedoch ein Meisterbrief erworben werden. Die 53 zulassungsfreien Handwerksberufe sind in der Anlage B, Abschnitt 1 der Handwerksordnung aufgeführt."

Dieses heißt für mich, daß ich keinen Meister brauche, um das Gewerk selbständig auszuüben, aber trotzdem eine fachliche Ausbildung. Ähnlich sieht es das Handwerksblatt in diesem Link:

http://www.handwerksblatt.de/H…/6579.html

oder www.ich-kann-etwas.de:

http://www.ich-kann-etwas.de/t…_abc&id=84

Ich vertrete die Meinung, daß die Meisterprüfung, fachlich gesehen, das Beste war, was ich machen konnte. Das Wissen, was ich mir an der Goldschmiedeschule angeeignet habe, kann mir keiner mehr nehmen. Die Schule und die Prüfung haben zwar viele Öre gekostet, aber die Investition war jeden Cent wert.

Jobmäßig war es das Falscheste, was ich je getan habe, da ich keine Stelle als Meister bekommen konnte. Seltsamerweise hat jeder einen Meister gesucht, wenn man sich jedoch angeboten hat, war man plötzlich überqualifiziert oder die Stelle war bereits mit einem Gesellen besetzt worden. Aber das ist hier ja nicht das Thema.

Ich denke, ob Meisterzwang oder nicht, die Spreu wird sich vom Weizen trennen. In den Köpfen unserer Kunden ist der Meisterbrief als Qualitätssiegel weiter beständig. Schon allein deswegen lohnt sich das Ablegen der Meisterprüfung. Weil ich weiß, daß meine Kunden noch auf so ein Zertifikat achten. Der Kunde geht halt doch noch eher in eine Meisterwerkstatt als in irgendeine dubiose Hinterhofklitsche (auch wenn die gelegentlich besser sein kann als ein Meisterbetrieb).
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #7
Zitat geschrieben von tatze-1
Also, ich habe jetzt gerade noch mal bei der HWK München in den FAQ folgende Definition für das zulassungsfreie Handwerk gefunden:

"Ein zulassungsfreies Handwerk kann ohne einen Qualifikationsnachweis, wie den Meisterbrief, selbständig betrieben werden. In diesen Berufen kann jedoch ein Meisterbrief erworben werden. Die 53 zulassungsfreien Handwerksberufe sind in der Anlage B, Abschnitt 1 der Handwerksordnung aufgeführt."


Ich weiß, es ist schwer, das zu glauben, aber auch in Deinem Zitat der FAQ steht: "kann ohne einen Qualifikationsnachweis". Ein Gesellenbrief ist doch auch ein Qualifikationsnachweis, oder? Ich habe die HWO rauf und runter gelesen - die zulassungsfreien sind buchstäblich zulassungsfrei. Nirgendwo (auch in den von Dir geposteten Links nicht) findet sich ein Hinweis auf eine Mindestqualifikation, wie z. B. den Gesellenbrief. Dabei spielt es keine Rolle, ob B1 oder B2.
Eine gute Idee von Dir, direkt nachfragen zu wollen. Warten wir also in diesem Punkt die kommende Woche ab.

Was die Fortbildung zum Meister angeht, so bin ich Deiner Meinung. Die Bedeutung des Titels setze ich jedoch heute nicht mehr so hoch an. Wenn Du Dich mal umschaust - bei vielen "Kunden" muss auf dem Stück ein Name stehen, am besten in großen Lettern, damit es andere gut lesen können. Ob diese Dinge "meisterhaft" sind, ist eher sekundär, ob sie gar vom einem Meister gefertigt wurden, das interessiert ... lassen wir das. Du kannst jetzt natürlich sagen, dass jene nicht Dein Klientel sind, richtig. Aber zu wem gehen sie, wenn der Mist auseinander gefallen ist?

Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren dabei, einige Kollegen hier im Forum länger und manch einer mehr als doppelt so lange :twisted: - ich bin gespannt, welche Meinungen da vertreten sind.
Tilo
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Tilo

 ·  #8
>Der Kunde geht halt doch noch eher in eine Meisterwerkstatt als in irgendeine dubiose Hinterhofklitsche
aha, schön wärs
ich weiß von vielen Kunden, daß sie ihren Schmuck dahin schaffen oder nach Anfertigungen fragen, wo neben den Uhren im Schaufenster wenigstens ne Ecke auch mit Schmuck vorhanden ist, ist doch ein "Juwelier", der macht sowas........
da nutzt es auch nichts, daß ich nur 30 m entfernt als Goldschmiedemeister mein Schaufenster mit 95% Schmuck und dem Titel Goldschmiedemeister habe
nein, es wird der freundlichen Verkäuferin/Ladeninhaberin gegeben, die zwar nicht mal Uhrmacher, geschweige denn irgendein Meister ist, die Kunden mit der Auskunft vera......lbert, "es wird nicht viel kosten", um dann einige Wochen später die Kunden mit Wucherpreisen zu schocken und dann noch nicht mal EC-Zahlung für den unerwartet hohen Rechnungsbetrag anzubieten und auf die Bitte, den Materialwert der ausgetauschten defekte Teile zu verrechnen antwortet,das habe sie nicht nötig

ja, und dann wäre da noch der /die Meisterkollegen in einer nahegelegenen Stadt, die einen Bronzering, weil 14k/585 gestempelt, tatsächlich für Gold hält
(es kam ein Kunde, der eine 2. Meinung zu seinem Stück hören wollten, wohl weil er sich für das schwere Teil einen noch höheren als Wert als die bereits genannten angeblichen 400 Euro erhoffte, und der/die Kollegin hatten das Teil in der Hand, denn er/sie hatte den Ring für die Wertangabe gewogen!)
und ein mir nicht direkt bekannter bereits verstorbener junger Kollege, der für den Eigenbedarf eine Kette gebaut und gestempelt hat, die jetzt wegen dem Todesfall in fremde Hände geriet und zur allgemeinen Überraschung nur knapp über 585 ist, obwohl 750 gestempelt, vielleicht war bei der Herstellung so ein Mist dabei, wie davor beschrieben
sowas darf nicht sein, aber selbst die besten Prüfungen schützen offenbar nicht davor

andererseits gibts unter "ungelernten" Ungeprüften richtige Freaks, die in manchen oder mehreren Bereichen des Handwerks mehr können als etliche staatlich geprüfte Goldschmiedemeister

ich fasse mal zusammen:
den Kunden ist es egal, welche Qualifikation man hat, so man nur ansatzweise den Eindruck entstehen läßt, man würde was von Schmuck verstehen, es reicht schon, ein paar "tolle" Billigschmuckstücke zu verkaufen
auch unter ausgebildeten Meistern und Gesellen gibts welche, die mehr scheinen als sie sind

unter "Laien" gibts Spezialisten, die auf ihrem Gebiet Gutes für den Fortbestand des Handwerks leisten

unter den Umständen geben ich dem Staat recht, wenn er sagt, soll doch jeder, der verrückt genug ist, sich in der Branche selbständig machen zu wollen, es auch tun dürfen, bevor dieses Handwerk durch Überregulierung eingeht
tatze-1
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tatze-1

 ·  #9
Soooo, nach Ewigkeiten habe ich es nun endlich geschafft, zu Geschäftszeiten daran zu denken, daß ich die HWK Mittelfranken mal anrufe wegen diesem Thread hier (gar nicht so einfach, wenn man zwischen 5 Uhr und 16 Uhr außer Haus ist, da noch jemanden zu erwischen :) ). Hätte ich das mal nicht getan ;-)

Das Ergebnis meines Telefonats ist wahrhaftig schockierend und verschafft mir wieder ein graues Haar mehr *seufz*. Man braucht als Goldschmied (hier jetzt mal als repräsentatives Beispiel für die komplette Anlage B) noch nicht mal eine Ausbildung, um sich in diesem Gewerk selbständig zu machen. Auf deutsch: Jeder Volldepp, der auf der Straße rumgammelt, kann sich von jetzt auf gleich in den Kopf setzen, ich mache jetzt ne Goldschmiede auf und verkaufe mich als Fachmann des Handwerks :kratz: Armes Handwerk, echt. :evil:

Wodurch ich dann doch wieder zum Thema Gesellen- und/oder Meisterbrief zurückkomme. Gerade deswegen erscheint es mir wichtig, dem Kunden zu zeigen, daß man tatsächlich vom Fach ist. So ein Brief zeugt nun mal unübersehbar davon, daß man was gelernt hat.

Tilo, es ist richtig, wenn Du sagst, daß es "unter "ungelernten" Ungeprüften richtige Freaks [gibt], die in manchen oder mehreren Bereichen des Handwerks mehr können als etliche staatlich geprüfte Goldschmiedemeister", aber das sind halt doch vergleichbar wenige.

Ich für meinen Teil kann nur aus meiner Erfahrung heraus sprechen, daß der Kunde einen Meisterbrief oder Gesellenbrief durchaus noch als Qualitätssiegel schätzt. Das wurde mir oft genug persönlich gesagt. Ich würde mich schämen, meinem Kunden vorzugaukeln, ich hätte das Handwerk gelernt, obwohl ich null Plan davon habe.

Naja, die Welt will Fachkräfte, die Politik spielt aus Langeweile und Unwissen mit dem Fundament einer jeden Fachkraft, nämlich der Ausbildung. Was wir nicht mehr brauchen, wird abgeschafft. Wie war das doch gleich vor kurzem mit dem letzten Diamantschleifer-Meisterschüler, dessen Beruf während seiner Meisterausbildung abgeschafft wurde und dem "ordinären" Edelsteinschleifer eingegliedert wurde??? Der darf sich jetzt Edelsteinschleifermeister nennen, obwohl der das nicht ist, bloß weil die Nasen in Berlin das Gefühl hatten, daß sein Beruf nicht mehr gebraucht wird hier in Deutschland. ARM, ECHT ARM!!! :motz:
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #10
Hallo Ihr jammernden Anhänger eines längst verblichenen Meisterzwanges! ;-)

Ich habe auf beiden Seiten gekämpft in diesem Krieg: Über 19 Jahre als Schwarzarbeiter im Sinne der HWO, gejagt und gehetzt von meisterlichen Mitbewerbern, wurde vor die Schranken der Gerichte gezerrt und habe doch als Winner die Arena verlassen und auch schon über 19 Jahre als Meister. Wenn mich einer fragt, ob ich durch die Meisterprüfung etwas gekernt habe, dann muss ich diese Frage uneingeschränkt mit "ja" beantworten. Ich habe gelernt, dass Hass und Niedertracht zu den tragenden Säulen der so gen. Kollegialität zählen können. Gott sei Dank, sind sie es nicht immer und überall.

Meine fachliche Befähigung hat sich durch die MP in keiner Weise verändert, da ich keine Kurse oder Schulen bemüht habe. Eine private Vorbereitung konnte ich mir auch nicht angedeihen lassen, da der Teil 3 und vier bereits etwa zwei Wochen nach dem bewussten Gerichtstermin geprüft wurde durch den ich überhaupt die Zulassung bekommen hatte und ich diese Prüfung mitmachen wollte, zumal ich das Glück hatte, auch beim Prüfungsleiter grünes Licht zu sehen. Außerdem brannte ich plötzlich darauf, mein Können spektakulär unter Beweis zu stellen und so meine Feinde zu deklassieren.

Facit: Aus meiner Sicht wäre es eigentlich nicht nötig gewesen. Ich hätte auch noch bis heute ohne MP weiter arbeiten können. Da mich die Kollegen mit Hilfe von Verbänden und Ordnungsbehörden jedoch so freundlich um die MP gebeten hatten, habe ich ihnen diesen kleinen Gefallen getan, allein schon um Ruhe zu haben, bzw. zu bekommen. Da ich in der bösen Teorie nicht zu fassen war, bin ich dann im praktischen Teil durchgefallen, vorsichtshalber auch in der Arbeitsprobe. So ist das gewesen, ich hab's mit Fassung getragen.

OK, ich trag's keinem nach, die Kameraden hatte ich ja nun auch zur Genüge geärgert. Was ich mir aber nicht verkneifen konnte und wollte, war die Ablegung der Prüfung ohne Vorbereitung und ohne Gesellenbrief. Ob ich hinterher zufrieden war? Jein. Aber zumindest weiß ich seither eines: Unsere vielbesungene, gerühmte und gefürchtete MP ist ein Thema der ganz normalen Allgemeinbildung, natürlich auch in fachlich-beruflicher Hinsicht. Die Prüfungsaufgaben entsprachen der Realität im beruflichen Alltag, sonst hätte ich nie bestanden - und das Praktische, na ja, ich behaupter, dass bei mir besondere Maßstäbe angelegt wurden. Es hatte sich auch schon herumgesprochen, dass ich die Theorie ganz locker in der Tasche hatte. :-)

Meine Haltung zum Gesamtkomplex MP:

Ich finde die Entwicklung schlecht, weil sie dem beruflichen Kulturbereich unermesslichen Schaden zufügt. Allerdings bin ich der Ansicht, dass der Goldschmiedeberuf in Deutschland, bis heute unter ständig wechselnden Bedingungen, nicht aus Versehen überlebt hat. Und er wird auch in der Zukunft überleben. Geragen von begeisterten Menschen, die sich den Luxus gönnen, einem Beruf zu frönen und nicht irgend einen Job machen. Wenn die Leistungsträger der Zukunft also im Hobbybereich angesiedelt sein sollten, dann ist es gut so. Es mag zwas Besseres geben, aber das Duale System ist nicht das Maß aller Dinge. Dafür sind unsere Lehrer zu unfähig, die heutigen Ausbilder in den Betrieben zu schlecht und die Lehrlinge zu uninteressiert.

Ich sehe durchaus die Chance, dass sich der begeisterte Hobbyist mit einem ganz anderen Elan seinem Ziel widmet, als der jenige, der sich seine gesetzlich garantierte Brufsaubildung, im Schongang reinzieht und sich "ausbilden lasst". Obwohl ich die Vereinigten Staaten von Amerike nicht recht leiden mag, muss ich doch eingestehen, dass es dort bessere Graveure, bessere Ziseleure und so gute Goldschmiede wie bei uns gibt. Und das alles ohne Duales System und diese ganze hochgejubelte Siedlung von Erbhöfen.

Am Anfang steht immer der Wille, der Wille etwas zu tun, etwas zu werden, etwas zu erlernen damit man es tun kann. Und den gibt es scheinbar im privaten Bereich immer stärker, immer öfter. Wir sollten (auch) diesen Willen fördern. Vielleicht liegt darin sogar die Zukunft unseres geliebten Berufes.

Ulli
drachilux
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drachilux

 ·  #11
Hallo - wir als Goldschmiede (mit klassischer 3 1/2 jähriger Werkstattausbildung bis zur Gesellenprüfung) führen die Tradition eines mindestens 6000 Jahre alten Handwerks fort. Mir wird seit langem schlecht, wenn ich Dipl.Schmuckdesigner, die zwar eine Werkstatt "zur Verfügung" hatten, aber nie eine klassische Lehre in diesem Handwerk durchlaufen haben, mit einem Abschluss, der einem Gesellenbrief im Handwerk gleichgestellt sein soll, durch die Gegend laufen sehe. Wenn ich einen Gesellen in meiner Werkstatt anstelle, habe ich einige Mindestanforderungen und muss nicht einen hoch bezahlten und sich selbst weit überschätzenden und ineffektiven (letztendlich) und fachlich inkompetenten "Lehrling" an mein Bein binden, der mich mehr Zeit, Nerven und Material kostet, als wirtschaftlich vertretbar wäre.

Gruss - Silke
drachilux
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drachilux

 ·  #12
P.S.: Den Ausbildungsrahmenplan für das Goldschmiedehandwerk halte ich nach wie vor für sinnvoll und denke, er ist als Institution und Prüfungskriterium eine kleine Arche, in der wir unser Handwerk und Wissen in die nächsten Jahrhunderte retten können.

Silke
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #13
Zitat
Mir wird seit langem schlecht, wenn ich Dipl.Schmuckdesigner,....mit einem Abschluss, der einem Gesellenbrief im Handwerk gleichgestellt sein soll, ...Wenn ich einen Gesellen in meiner Werkstatt anstelle, habe ich einige Mindestanforderungen...


Hallo drachilux.

falscher Dampfer: Der Abschluss ist einer MP gleichgestellt! :mrgreen:


Bei uns "verwenden" wir seit langem nur noch "Selbstgezogene", da das auf dem Markt befindliche Angebot durchweg unreif und schlecht gedüngt geerntet wurde.
stefan
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stefan

 ·  #14
hallo zusammen,
ich hatte die folgen dieser entwicklung als klassenleiter einer neuen goldschmiedeklasse gerade zu spüren bekommen. einer der wenigen lehrlinge, hat knapp vor ende der gesetzlichen probezeit seine lehre schwerenherzens beenden müssen, weil er zur überzeugung gelangt war, dass sein ausbilder ihn nicht richtig ausbilden kann. der ausbilder selbst betreibt eine goldschmiede in einer sehr großen stadt, ist noch sehr jung, hat zwar eine staatliche berufsschule abgeschlossen, aber keine gesellen- geschweige denn, eine meisterprüfung vor der kammer abgelegt...

scheiß entwicklung!
stefan
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #15
Hallo Stefan,

erst mal noch ein gutes Neues Jahr!

Das so gen. Duale System umfasst doch auch schulische Maßnahmen um Ausbildungsdefizite zu beheben- oder funktioniert das bei Euch nicht?

Sag mal, Du hattest doch intensiv nach begabten Lehringen für Deine Frau gesucht. Habt Ihr welche bekommen? Falls nicht, wäre das nicht was für Euch?
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