Hallo Cyberfans,
seit langem schon möchte ich, soll ich
und bemühe ich mich, einen Bericht über ein komplett erstelltes Schmuckstück zu verfassen, und nun wird es wahrscheinlich ein Abenteuerbericht! Leider bin ich bis jetzt aus Zeitmangel nicht zum Schreiben gekommen, aber ich habe Goldie bereits vor längerer Zeit Besserung versprochen und es bis heute trotzdem nicht geschafft.
Dazu kam, dass mein Sohn Wolfram, der ja bei uns der Freak Nr 1 ist, wenn es um Prototypingsachen geht, auch keine Zeit hatte, und außerdem auch noch seinen Jahresurlaub genommen hatte. Aber gerade in dieser überlasteten Situation, ist es dann passiert, dass ein Kunde anrief und händeringend darum gebeten hat, ihn aus einer üblen Klemme zu befreien. Für eine Großveranstaltung waren die Präsente vergessen worden, und nun drückte die Zeit wie verrückt.
Auf meine Frage was und wie viele es denn sein sollten, wurde der Wunsch nach Armbändern geäußert. Allerdings sollten sie nicht zart und fein ausfallen, sondern mehr zu Harleymopeds und kräftigen Jungens passen. Ihr ahnt es wahrscheinlich bereits, es drehte sich um das Mekka der Rockmusik, ROCK AM RING. Ein Muster sollte ich bekommen, so in der Art in etwa, sollten die Bänder werden, aber dort wo der Stein in der Mitte saß, sollte eine Platte aus Silber rein und in diese das RAR-Emblem. Ein Foto des Bandes wäre unterwegs an uns. Und wir sollten um Gottes Willen versuchen, dass die fertigen Bänder schön rockig würden. So weit also die Vorgeschichte.
Tolle Sache, Wolfram, mein Chefkonstrukteur und Dompteur aller Software und Hightec- Maschinen bei uns ist im Urlaub, und nun so etwas. Aber Gott sei Dank habe ich noch nie im Leben allein gestanden, gute Freunde haben mir oft die notwendige Unterstützung angedeihen lassen. Und so griff ich erst einmal zum Telefon. Zuvor hatte ich allerdings die Mail meines Kunden geöffnet und mir das zugesandte Bild mit dem Musterband betrachtet. Ein Flachpanzerband, verwalzte und mattierte Glieder, in der Mitte wohl ein Stein, Uhrbandschloss. Nicht so toll für Rocker, fand ich.
(Bild 1)
Das Rufzeichen tutet, am Telefon meldet sich die Firma Horbach in Idar-Oberstein. Den Juniorchef will ich, den Christian Müller. Christian telefoniert, Herr Pohl meint das sei aber gleich vorbei. Also rufe ich erst einmal Doina Erdei an, eine der wenigen Top-CAD-Frauen die ich kenne. Da Frau Erdei seinerzeit meinen Sohn Wolfram mit RHINO (CAD-Software) vertraut gemacht hatte und bei ihm wahre Wunder vollbracht hatte, ist sie wahrscheinlich die Rettung für mich. Sie ist eine der festen Größen in der CAD-Landschaft der Schmuckbranche in Deutschland und kompetente Anlaufstelle in allen derartigen Fragen. Wenn sie denn zu Hause ist, wenn sie denn Zeit hat.--!
Es tutet, eine Frauenstimme. Ich melde mich und zu meiner Freude erkennt sie mich sofort wieder. Was denn Wolfram macht will sie wissen, und ich erzähle ihr dass er in Urlaub ist und dass ich gern einen Auftrag erledigen will, der einen erstklassigen Cad-Zeichner erfordert. Ja, das sei doch kein Problem, das könne und würde sie gern für mich erledigen. Mir poltern einige schwere Brocken aus dem Hemd. Ich solle ihr die Angaben zumailen, danach am Telefon alles weitere. Aber erst musste ich noch Christian Müller erwischen.
Noch einmal tüt tüt, dann Christians unverkennbare Stimme. Ich setze ihn ins Bild und bete dabei, dass der Solidscape T66 Prototypingdrucker frei ist. „Ei warum drucke se sisch dat nit selbst, sej honn doch so ä Gerät?“ tönt es mir im Dialekt meiner Kindheit entgegen. Ich hole etwas weiter aus.“Ach soo, ja dat iss dann doch iehwerhaupt käh Thema, sahn se der Erdei, dat sie die Zähschnung gleesch riehwa schigge soll, dann packenischdat sohfott uff de Drugga!". Noch nie kam mir dieser Dialekt so schön vor.
Wieder die Tastatur gequält, und mein Kunde ist am anderen Ende. Ich sage zu, soll ein oder zwei Vorschläge machen. Vor allem das Logo soll auch wegen des Großsponsors gut rauskommen.
Nun muss erst mal eine vernünftige Idee her. Rocker sind eine Spezies für sich. Mir fällt mein Freund Max ein, 65 Jahre auf dem Buckel und immer noch jeden Tag auf seiner Kutsche, wie er seine alte Harley nennt. Tätowiert ist er am ganzen Körper, trägt zu allen Anlässen seine „Kutte“ und sieht auch heute noch mit seinen 3 Zentnern zum Fürchten aus. Ich beschließe ein
Armband für Max zu machen.
Erst einmal schnell ein paar Scribbles, damit ich meinen Kunden füttern kann und ab die Post. I love e-mail!
(Bild 2)
Kommentar zurück:" Suuper, geil, machen! Aber nicht zu kurz, da sind richtige Kaliber dabei." Ich denke an Max.
Nun noch schnell ein paar Striche und Maße für Frau Erdei, damit sie überhaupt weiß, worum es geht.
(Bild 3)
Ich rufe bei Frau Erdei an, will hören ob sie Sinn in mein Gekritzel gebracht hat. Diese Frau erstaunt mich immer wieder. Nicht nur, dass sie meinem Sohn innerhalb dreier Tage die Grundlagen des CAD-Zeichnen beigebracht hat, sie hat alles begriffen was ich mir für die Rocker zusammengesponnen-und gepinselt habe, genial!
Nächster Tag: Ich schmeiße als Erstes meine E-mails an. Tatsächlich, im Spamfilter finden sich zwei Mails von Doina Erdei. Eine an mich, eine andere als CC, die ging an Fa. Horbach, zu Hd. Christian Müller in Idar-Oberstein. Na das funzt ja, Wolfram wird große Augen machen, wenn er zurück kommt!
(Bild 4)
Zwei Tage später habe ich den Waxplott auf dem Tisch liegen!
(Bild 5)
Noch einmal vielen Dank an Frau Dipl Ing Doina Erdei in Pforzheim und an unseren guten Freund in Idar, Christian Müller, von der Firma Horbach-Gießtechnik. Die Zwischenzeit haben wir genutzt und zwei Totenschädel aus grünem Wachs geschnitzt. Diese sollen an die Seiten der Rolle mit den Nieten und dem Logo angebracht werden. Im Bereich der Backenzähne, soll eine kräftige Rundöse durchgezogen werden, die ihrerseits die Kette des Armbandes hält. Als Verschluss habe ich einen Schraubschäkel vorbereitet und die passende Gummiform für die Wachsmodelle dazu. Den Schraubenbolzen habe ich mit wechselnden Durchmessern gemacht, so dass er mit seinem breiteren Griffstück im Schäkel hängen bleibt und nicht verloren werden kann.
Das mit den Schädeln zusammenmontierte Wachsmodell des Mittelteils, habe ich in Silikonabformmasse gesteckt und dadurch nach dem Abbinden des Materials eine Negativform erhalten. Nun können die Wachsmodelle gefertigt werden, eine, durch das Volumen des Teils zeitraubende Sache. Aber schließlich sitzen sie in Reih und Glied auf dem Gussbaum und warten darauf eingeschlickert zu werden.
(Bild 6)
Dazu wird dann noch ein Rohr über die Modelle gesteckt, welches mit der angerührten Einbettmasse aufgefüllt wird. Die eingeschlossenen Wachsmodelle werden nach dem Erhärten der Formmasse ausgebrannt und in die so entstehenden Hohlräume das Gussmetall, in diesem Fall Silber, eingefüllt. Nach den Gießarbeiten werden die Teile in heißer Amido-Sulfonsäure abgebeizt, das entfernt gleichzeitig die Formmassenreste. Jetzt aber los, die Zeit wird knapp. Alle Gussteile müssen geschliffen werden. Die schweren Mittelteile kommen dazu in die Schleppvorrichtung, damit sie sich nicht gegenseitig beschädigen, die Schäkel kommen einfach in die Horizontal-Fliehkraftschleifmaschine. Diese Geräte werden mit Frischwasserzulauf betrieben und liefern in kurzer Zeit gute Resultate.
Da die Schäkel als Erste fertig sind, können die Gewinde in die Löcher geschnitten werden. Ein Hoch dem Erfinder der Akkuschrauber! Die Bolzen erhalten das passende Außengewinde (M3) und können nun schon am Ende platt gestaucht werden. Damit sind die Verschlüsse bereits fertig und können in die Kette gelötet werden. Die Kettenstücke habe ich entsprechend lang bemessen, und, falls wirklich richtig ausgewachsene Exemplare der Gattung Rocker dabei sein sollten, solche mit Händen wie Max. habe ich vorsichtshalber einige Exemplare auf eine Gesamtlänge von 270 mm Länge gemacht. Danach erst einmal die Mittelteile aus der Schleifmaschine nehmen, sonst sind am Ende vielleicht die Feinheiten verschwunden. Außerdem sollen sie nicht zu glatt werden, sonst sehen die Totenschädel nicht grauselig genug aus. Aber sie sind gut geworden. Als nächster Schritt steht das Make up an. Hierzu nehme ich Schwefelbeize und färbe die Mittelteile erst einmal tief blauschwarz ein. Danach werden sie mit Bimsmehl schattiert, d.h. dier vorstehenden Stellen werden wieder hell geschliffen. Abspülen und 30 Min. in die Kugeltrommel. Jetzt sehen sie schon sehr salonfähig aus und können nun mit den vorbereiteten 2,5 mm dicken, großen Silberdrahtösen, die in das Gebiss der Schädel eingehängt werden, verbunden werden. Die Ösen nehmen das kräftige Kettenmaterial des Armbandes zwar sicher auf, wir löten sie jedoch unter dem Laser sicherheitshalber zusammen. Da sich dabei nichts erhitzt, bleiben die Teile blank und propper. Ganz zum Schluss noch einmal für eine halbe Stunde in die Kugeltrommel, und die Polierkörper aus blankem Stahl tun das Ihre. Bin echt gespannt, wie die Bänder ankommen!
(Bild 7 und
Inzwischen ist das Spektakel vorbei. Dem Vernehmen nach, sind die Bänder gebührend bestaunt worden, alle mit ihnen geehrten VIP’s haben wohl die
Armbänder angezogen und sind mit sichtbarem Stolz und hochzufrieden am Nürburgring gesichtet worden
Nachtrag: Dieser Bericht zeigt sehr schön, dass die modernen Techniken unseres Berufes, keineswegs die überkommenen Techniken ausrotten. Im Gegenteil, sie ermöglichen, sie öffnen uns Goldschmieden erst viele Bereiche, die ohne zeitgemäße, computergesteuerte Geräte und Maschinen, gar nicht möglich wären.
Normalerweise brauche ich für einen derartigen Auftrag keine fremde Hilfe, da wir alles im Hause machen, Jedoch war es wirklich interessant einmal zu erleben, wie sich neuere Technologien nutzen lassen , wenn man selber die Möglichkeit nicht hat und auf Dritte zurückgreifen muss. Eine für mich sehr aufschlussreiche Erfahrung, zumal ich in diesem Fall auch noch unter extremem Zeitdruck stand und schon aus diesem Grunde einfach nichts schief gehen durfte. Aber es hat alles über Erwarten gut geklappt, von der Umsetzung durch Frau Dipl Ing Doina Erdei angefangen, über die freundliche und qualitativ absolut einwandfreie Hilfe von Herrn Christian Müller, Juniorchef der Firma Horbach-Gießtechnik in Idar-Oberstein, bis hin zu unseren fleißigen Mitarbeitern, darunter auch mein jüngster Sohn Philipp
, ohne deren Unterstützung die Ehrengäste von ROCK AM
Ring leer ausgegangen wären.