Liebe tatze-1,
als ich den oben verlinkten Artikel geschrieben habe, war ich fast 75 Jahre jung. Jetzt bin ich fast 9 Jahre älter - wie man leicht an den Fingern abzählen kann. Und die Finger sind nicht mehr so ruhig wie damals. Aber es geht noch.
Lieber Kristaller,
der große Vorteil des freihändigen Vorschleifens "zwischen den Fingern" besteht darin, dass man rechtzeitig sieht, dass die gewünschte Form mit dem ausgewählten Rohstein nicht ohne viel Verlust geschliffen werden kann. Wenn man die ganzen Fehler am Rohstein wegschleift, bleibt oft etwas Unerwartetes übrig. Außerdem kann man zwischendurch die Lage der Tafel anpassen und insgesamt in kürzerer Zeit mehr unnützes Material wegschleifen. Mich hat es anfangs immer genervt, wenn ich so viel Zeit aufwenden musste, um den Rohstein so weit vorzubereiten, dass ich endlich mit dem Facettieren anfangen konnte. Mittlerweile habe ich dadurch gelernt, den Rohstein besser abzuschätzen und kaufe weniger teures Rohmaterial, von dem ich mehr als die Hälfte wegschleifen muss. (Ausnahmen bestätigen die Regel).
In den professionellen Schleifereien machen die erfahrendsten Schleifer das Ebauchieren und die Anfäner dürfen polieren...
kristaller
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kristaller
22.04.2023 - 10:55 Uhr
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#18
@ uhu,
guten Morgen und vielen Dank für das interessante Feedback !
Dazu hätte ich noch drei Fragen:
1.) Auf welcher Maschine schleifst Du denn freihändig vor ? Ist das die übliche Facettiermaschine (Mastmaschine) oder ein Zusatzgerät mit vertikalen Schleifrädern ?
Ja, offensichtliche Fehler (Risse, Einschlüsse, Trübungen, etc.) versuche ich natürlich auch, so gut es geht (oft Kompromiss wegen zu großem Substanzverlust), unter Berücksichtigung der geplanten Steinform zu eliminieren. Dabei kommt schon manchmal der Entschluss, doch eine andere Grundform oder ein komplett anderes Schliffmuster zu verwenden.
2.) Wie genau schleifst Du denn in dieser Vorbereitungsphase die Steine schon auf Maß ? - Nimmst Du die Längen am Stein ausschließlich mit einem Messschieber ab (hast Du dann besondere Typen dafür ?) - oder verwendest Du auch andere Messgeräte ?
3.) Sicherlich wirst Du auch beim eigentlichen Facettieren Längenverhältnisse (L/B/H) kontrollieren (bei den dann aufgedoppten Steinen).
Wie gehst Du da vor (Hilfsmittel, evtl. Besonderheiten, ........) ?
Beste Schleifergrüße !
Kristaller
stoanarrischer uhu
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stoanarrischer uhu
22.04.2023 - 17:14 Uhr
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#19
Hallo Kristaller,
ich selbst schleife unempfindliche Steine auf einer groben, planen, gesinterten Diamantscheibe auf der Facettiermaschine vor. Für empfindliche Steine nehme ich ein grobes Diamantband auf der Gummitrommel einer Cabochonmaschine. Die Berufsschleifer verwenden große SiC Schleifräder.
Ich schleife nur grob vor, denn beim Aufkitten schafft man es meist nicht, den Stein exakt mittig zu platzieren. Bei teuren Steinen schiebe ich den Stein bei Bedarf noch ein wenig, denn ich kitte mit Schellack. Die Längenmessungen mache ich mit einem ganz normalen Messschieber.
Beim Facettiervorgang messe ich, wenn nötig, Länge und Breite mit dem Messschieber - die Höhe ergibt sich duch die verwendeten Winkel, die man zumindest auf der Unterseite nicht abändern sollte, wenn man nicht ein mehr oder minder großes Fenster riskieren möchte.
Allgemein sollte man nicht zu knausrig beim Vorschleifen sein, dann erlebt man auch nicht so leicht böse Überraschungen. Wir arbeiten ja nicht mit Steinen, wo es auf 0,01 ct ankommt. Wenn ich z.B. eine Stein mit genauem Maß schleifen soll, dann mache ich ihn 0,2mm größer und erreiche die genaue Größe durch das Feinschleifen und Polieren der Rundiste.
Manchmal muss man halt auch zusätzlich zu den Händen auch das Gehirn einsetzen. Hat was mit Erfahrung zu tun. Kann man nicht kaufen, muss man erarbeiten. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen.
Frohes Schaffen
stn. uhu
kristaller
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kristaller
22.04.2023 - 18:35 Uhr
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#20
Hallo lieber uhu,
habe mich sehr über Deinen Erfahrungsbericht gefreut.
Mit dem Problem, dass man meist den Stein nicht so wie gewünscht zentriert bekommt, habe ich mich auch schon oft beschäftigt. Pragmatisch, aber sehr effizient finde ich das Endmaßschleifen eines geringfügig größer gemachten Steines durch das Feinschleifen und Polieren der Rundiste.
Schönes Wochenende !
Kristaller
capcuadrate
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capcuadrate
23.04.2023 - 10:00 Uhr
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#21
Moin Kristaller,
wenn Du nicht einen Auftrag genau nach Maß schleifen sollst, brauchst Du die Maße doch nicht so genau zu nehmen. Eventuell musst Du die Winkel etwas korrigieren aber das siehst Du ja beim Schleifen. Wenn das Diagram für einen Stein mit 1,2 Länge zu Breite ist und Dein Rohstein 1,3 hergibt, wirst Du das ja nicht wegschleifen wollen. Also entweder Du passt on the fly an oder du bemühst Gem Cad Studio und da kannst Du das skalieren.
Echte Profis legen eine Preform an und legen die Facetten dann aus dem Gedächnis an aber das ist eine andere Liga mit anderen Anforderungen.
Cap
kristaller
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kristaller
23.04.2023 - 11:42 Uhr
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#22
Moin cap,
das sehe ich genauso. Normalerweise will ich ja auch überflüssigen Substanzverlust vermeiden und würde nur ausnahmsweise nochmals an die Rundiste gehen.
Ist Dein Standardmessgerät ebenfalls der Messschieber - oder nimmst Du eher Schablonen oder auch andere Hilfsmittel für die Kontrolle der Steinabmessungen ?
Beste Grüße !
Kristaller
capcuadrate
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capcuadrate
23.04.2023 - 19:39 Uhr
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#23
Ich hab blos eine Schieblehre. Neu sind ein paar Schablonen um mich besser in das Ebauchieren einzuarbeiten. Das ist bisher nicht meinen Stärke.
Cap
tatze-1
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tatze-1
23.04.2023 - 19:45 Uhr
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#24
Zitat geschrieben von capcuadrate
Neu sind ein paar Schablonen um mich besser in das Ebauchieren einzuarbeiten. Das ist bisher nicht meinen Stärke.
in meinem Restauratorenkurs hat uns unser Schleifdozent bewußt keine Schablonen gegeben, weil er wollte, daß wir nach Optik vorschleifen (wir haben zwar nur Cabs geschliffen, aber ist ja für die Form effektiv egal). Das macht er auch mit seinen Lehrlingen, damit sie ihr Auge schulen. Zudem ist das Auge der kritischste Feinmesser, den die Menschheit aufzubieten hat. Kleinste Unregelmäßigkeiten werden so direkt erkannt und können korrigiert werden.
kristaller
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kristaller
23.04.2023 - 23:33 Uhr
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#25
@ tatze-1,
finde ich auch toll, wenn die gewünschte Form freihändig erarbeitet werden kann.
Andererseits hat jede Korrektur an der Form des Steins meist auch Einbußen an geplanter Länge und/oder Breite und somit leider ungewollten Substanzverlust zur Folge...........
tatze-1
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tatze-1
23.04.2023 - 23:45 Uhr
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#26
Deswegen geht man ja auch mit Gefühl an die Scheibe und nicht wie ein Holzfäller, um feine Korrekturen zu machen. Und grundsätzlich ging es hier ja grade ums ebauchieren, was sowieso eine Grobform darstellt, die noch nicht das Endmaß erreicht hat, wie der Uhu beispielsweise schon schrieb. Und niemand haut den Schleifer dafür, wenn das Oval nicht exakt 8x6 hat, sondern vielleicht 8,2x5,9. Ich haue Schleifer für anderes, z.B. unnötiges Auf-Gewicht-Schleifen oder Fußballrunde Unterteile bei Rubinen, Saphiren und Smaragden oder Cabouchons mit quasi senkrechten Kanten. Hab erst gestern einen Opalhändler bemäkelt, der seinen Boulderopalen total gurkige Unterseiten schleift, anstatt ordentlich grader Flächen, was bei der Matrix normal gut machbar ist. Der Gedanke war ihm offenbar noch nicht gekommen.
capcuadrate
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capcuadrate
24.04.2023 - 08:56 Uhr
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#27
Der Schleifer kauft in Gramm und muss in Carat verkaufen. Da ist es doch natürlich, dass er das Maximale an Gewicht aus dem Rohstein herausholen will. Abgesehen von Fenstern und irgendwie Facetten wird er also versuchen, kein Gewicht zu verlieren. 80 % zu verlieren, wie bei vielen Hobby oder Design Schliffen ist da eher suboptimal und wharscheinlich wird der Kunde das tolle Schliffbild sowieso nicht würdigen.
Ist manchmal sogar erstaunlich, dass gerade teuerste Steine nicht symetrisch sind.
Cap
stoanarrischer uhu
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stoanarrischer uhu
24.04.2023 - 10:39 Uhr
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#28
Liebe Tatze, du solltest nicht den Schleifer hauen, sondern seinen Chef. Der verlangt, dass in einer Stunde möglichst viel ct geschliffen werden. Da leidet alles darunter. Dieses Spielchen mache ich z.B. nicht mit. Meine Kunden zahlen nach Zeitaufwand. Und ich bemühe mich, den Stein so schnell wie möglich zu schleifen. Bis jetzt hat sich noch keiner beklagt.
steinfrosch
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steinfrosch
24.04.2023 - 11:04 Uhr
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#29
Ich verstehe nicht wo das Problem ist.
Wenn ich einen vernünftig geschliffenen Stein kaufen möchte, kann ich das tun, die Auswahl ist da.
Wenn ich einen schlecht geschliffenen Stein günstig kaufen kann, dann tue ich das auch, bin aber Schleifer und mache das mit Absicht.
kristaller
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kristaller
24.04.2023 - 12:02 Uhr
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#30
Liebe Tatze, werte Schleiferkollegen,
zu all diesen Argumenten darf man die Zwänge nicht verachten, die aufgrund der individuellen Ausstattung einer Schleifwerkstatt entstehen können.
Das ganze handwerkliche Geschick nützt leider wenig, wenn z.B. gerade der erforderliche Dopstift nicht verfügbar ist oder kurzfristig nicht beschafft werden kann. - Somit geht man gar nicht selten eher unerwünschte Kompromisse bei den Abmessungen eines Steins ein.
Dies lässt mich immer wieder über Methoden zur zuverlässigen Bestimmung der Maße eines Steins in allen Bearbeitungsphasen nachgrübeln.