Edelsteine & Perlen
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Vincenzo Peruzzi

 
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tatze-1
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tatze-1

 ·  #1
An alle Edelstein- und vor allem Diamantsüchtigen. In meinem Restauratorenkurs wurde behauptet, der Erfinder des Brillantschliffs im Jahr 1700 sei der venezianische Handwerker Vincenzo Peruzzi gewesen. Hat mich schon damals verwundert, daß ich noch nicht mal in Lehre oder Meisterschule von diesem Herrn gehört habe. Beim Lernen auf die Prüfung habe ich mal Google angeworfen, aber das Internet weiß auch nicht mehr als eine Legende. Noch nicht mal Wikipedia hat einen entsprechenden Eintrag. Klar, daß dieser Herr auch in der Prüfung abgefragt wurde. Jetzt nach der Prüfung habe ich mich nochmal auf die Spuren begeben - genauso ergebnislos wie vorher. Dann fiel mir ein, daß mein Lehrmeister mir zu meinem Geburtstag vor 20 Jahren das Buch "Der Diamant" geschenkt hat. Reingelesen zum Thema Brillantschliff auf, ich glaube S.210ff war das, und da steht genau das drin, was ich bereits vermutet hatte:

Zitat
Der Prototyp des Brillanten stammt aus Burgund, aus der Zeit um 1400. (...) Erstmals begegnen wir dem Wort (Brillant) im Inventar des Hanauer Juweliers Daniel de Hase im Jahre 1614. (...) Der Schliff des viereckigen Brillanten ist zumindest seit Ende des 17. Jahrhunderts bekannt. Im 19. Jahrhundert nannte man ihn nach dem angeblichen Erfinder, dem venezianischen Handwerker Vincenzo Peruzzi, den Peruzzi-Schliff. Keine Nachforschung aber hat bisher die Existenz dieses Diamantschleifers beweisen können.


Meine Frage nun an das Schwarmwissen: Bleibt es dabei, daß es keine historischen Belege zur Existenz von Peruzzi gibt, geschweige denn, daß er tatsächlich den Barockbrillant erfunden haben soll? Oder gibt es wider Erwarten doch noch Belege der Existenz und der tatsächlichen Erfindung - außer der Schliff, der nach ihm 100 Jahre später benannt worden ist?
Silberfrau
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Silberfrau

 ·  #2
Mit solchen Wischi Waschi Fragen und akteptierten Antworten kommt mir deine Prüfung ein wenig esoterisch vor.
steinfrosch
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steinfrosch

 ·  #3
In allen mir bekannten Quellen ist der Herr Peruzzi auch immer mit "angeblich" versehen.Wenn du bei wikipedia allerdings mal nach "Brillant" schaust, wirst du auch dort auf den angeblichen stossen.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #4
ich bin bei Tante Wiki auf den angeblichen gestoßen und bei einem Diamantenclub, von dem ich mein Lebtag noch nix gehört hatte. Die haben geschrieben, der Legende nach. Deswegen beschäftigt mich das ja auch noch nach der Prüfung weiter, weil ich nicht glauben mag, daß in einer Prüfung zu einem Berufsabschluß, mit dessen Erwerb man erwartet, daß die Gold- und Silberschmiede als Restauratoren im Handwerk wissenschaftlich und akademisch arbeiten sollen, historisch nicht belegte Gerüchte abgefragt und mit Punkten versehen werden. Da wollte ich meinen Dozenten = Prüfern nochmal meinen Senf dazu schreiben. Daher frage ich hier, weil es ja noch andere Bücherschränke als meinen gibt, die vielleicht was anderes wissen.

Reni, das ist nur eine Frage von ca. 150 Beantwortungsfragen (oder ein paar weniger, who is counting) ohne multiple choice innerhalb 6 Zeitstunden gewesen, die garantiert inhaltlich nicht wischiwaschi waren, sondern eher von ihrer Formulierung her.
MaJa
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MaJa

 ·  #5
Ich habe mal gestöbert, aber alles was ich gefunden habe, ist das, was überall steht. Ein Venezianer Namens Vincenzo Peruzzi habe 1655 (ein spezifisches Jahr gibt es wohl auch) den Mazarin-Schliff (der zum damaligen Zeitpunkt auch relativ jung/neu gewesen sein muss) zum Peruzzi-Schliff erweitert (von 17 auf 33 Facetten in der Krone).
Auf die Schnelle habe ich ihn aber sonst nicht gefunden. Was mich etwas wundert, ist dass er laut den Angaben oben nicht in venezianischen Archiven auftaucht. Dabei sind die recht gut, insbesondere, wenn man daran denkt, dass Peruzzi ein Schleifer gewesen sein soll.
Die Frage ist, ob er wirklich Venezianer war. Ich kannte den Namen Peruzzi bisher nur aus Florenz, zusammen mit den Bardi als Gegenspieler der Medici, von denen sie auch mehr oder weniger aus der Stadt vertrieben wurden.
Die Diamanten des 17. Jhd. kamen meines Wissens nach alle aus Indien (Golconda). Die Diamantenhändler damals waren vorwiegend(?) sephardische Juden, sie hatten die (familiären) Beziehungen zw. Portugal, Spanien, den (spanischen) Niederlanden (heute BE und NL) und der Levante und konnten sich relativ frei bewegen/reisen. Neben Amsterdam war die größte Gruppe sephardiascher Juden in Livorno, also neben Florenz (ich habe hier irgendwo ein Buch zu den Handelsbeziehungen dieser sephardischen Familien rumfliegen, nur finde ich es gerade nicht). Jetzt einfach eine Spinnerei meinerseits: vielleicht hat ein Nachfahre der Florentiner Peruzzi einen Diamanten mit diesem Schliff besessen, ob er auch geschliffen hat, wäre ich nicht so sicher, die Peruzzi waren immer noch eine Art wohlhabende Landadelige, die keinem Handwerk nachgegangen wären, allenfalls als Hobby (wie irgendwelche Fürsten 150 Jahre später Elfenbein gedrechselt haben). Die räumliche Nähe zw. Diamantenhändlern und einer Familie mit dem Namen Peruzzi wäre hier jedenfalls gegeben.

Ich habe noch eine Referenz zu folgendem Buch gefunden, möglich, dass dort was steht:

Godehard Lenzen, Produktions- und Handelsgeschichte des Diamanten, Duncker u. Humblot, Berlin, 1966

Hier bei uns steht es in der Präsenzbibliothek (d.h. keine Ausleihe), übernächste Woche oder so sollte ich es schaffen mal reinzuschauen.

Ansonsten bleibt es ei Eugen Roth:
Wissenschaft ist und bleibt, was einer ab vom anderen schreibt...
MaJa
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MaJa

 ·  #6
So, und wie immer wenn man gerade auf der Suche ist, hat man Glück und findet auch ein anderes Buch:

Michael Bycroft und Sven Dupré, Gems in the Early Modern World Materials, Knowledge and Global Trade, 1450–1800, Spinger/Palgrave MacMillan, 2019

in dem gibt es den Artikel (zeitlich zu früh für den Peruzzi-Schliff, aber vielleicht findet sich dort ein weiterer Ansatzpunkt):
Polito et Claro: The Art and Knowledge of Polishing, 1100–1500, Marjolijn Bol, Univ. Utrecht
tatze-1
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tatze-1

 ·  #7
Danke Markus fürs gucken. Aus dem Lenzen hat mein Dozent auch sein Wissen. Im Buch "Der Diamant" steht auch drin, daß der Schliff erst 100 Jahre später nach Peruzzi benannt wurde. Da ist viel Wasser in dieser Zeit die Lagune rein- und rausgeschwappt. Die einzigen Peruzzi, die auch auf der italienischen Wiki-Seite zu finden sind, sind ein Bürgermeister im 19. Jhdt um die Medici rum und sein Sohn. Nix, was auf Diamanten hinweist.

Was die Edelsteinbearbeitung betrifft, waren die Leute damals schon sehr weit und auch sehr präzise. Findet sich auch im Farbsteinschliff wieder. Fünfe grade sein lassen war da nicht drin, habe ich gelernt. Und Diamant geschliffen haben offenbar schon die Römer, die offenbar die indischen Diamanten in Diamantwerkzeug weiterverarbeitet haben, um dieses dann nach China weiterzuverkaufen - oder so.
Imari
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Imari

 ·  #8
Hier noch ein Hinweis auf eine "angebliche" Quelle:

David Jeffries "A Treatise on Diamonds and Pearls", London 1751

Gibt es als Digitalisat. Beim Überfliegen habe ich leider nichts gefunden, aber vielleicht findet man mit
mehr Zeit ja doch was. Wenn ich richtig gesehen habe, finden sich Peruzzi-Schliffe in den Abbildungen.
Sicher bin ich mir da allerdings nicht. Auf jeden Fall ein interessantes Buch.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Venezianer namens Peruzzi direkt aus dem Florentiner Peruzzi/Medici-Clan abstammt und dann nur ein Schleifer wird, ist eher gering. Das stimme ich MaJa zu. Andererseits ist Peruzzi ein ziemlich häufiger Name und nicht jeder hatte die Fortune, direkt aus dem wohlhabenden Landadel zu stammen. Da gab es auch viele andere Möglichkeiten.
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #9
tatze-1
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tatze-1

 ·  #10
Möglich. Aber aus all dem Geschriebenen hier läßt sich schließen, daß dieser Mensch kein historisch belegbarer Fakt ist, weil das keinem Geschichtsschreiber bislang einen Tropfen Tinte wert gewesen ist.
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #11
Wie oft habe ich schon gelesen, das Eppler angeblich den Brillantschliff "entwickelt" hätte. Und das ist im Vergleich zu "Peruzzi" noch nicht so lange her.
Ich hatte Kontakt zu einigen amerikanischen "Kollegen", die aufgrund von sprachlichen Verwirrungen ganz eigene Vorstellungen hatten, was "à jour" im Goldschmiedebereich (abgesehen von den allgemeinen Bedeutungen) bedeutet oder ist. Im CAD Bereich heißt das heute wohl überwiegend "honeycomb".

Wenn also von Signore Peruzzi kein Selfie mit GPS Angabe und Schleiferwerkstatt im Hintergrund vorhanden ist, würde ich den Namen im Reich der Mythen und Sagen verorten.
Tilo
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Tilo

 ·  #12
ich würde das sogar in diesem Reich verorten, wenn es ein Selfie mit GPS-Angabe gäbe ;-)
tatze-1
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tatze-1

 ·  #13
Ein bestätigtes Selfie von damals ohne GPS-Tracker würde mir ja durchaus reichen
Imari
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Imari

 ·  #14
Ich stelle mal eine andere, historisch durchaus plausible Variante in den Raum.

Ein ebenso wohlhabender wie geschäftstüchtiger Abkömmling der Florentiner Peruzzi, ein gewisser Vincenzo, der ansonsten nicht weiter dokumentiert ist, besitzt eine nicht unerhebliche Anzahl indischer Diamanten, mit denen er gegen die englische Konkurrenz groß ins Geschäft kommen will. Dafür muss er etwas Neues, etwas Sensationelles bieten, also einen Schliff, der alles bisherige in den Schatten stellt. Folglich sucht er in den italienischen Schleifereien einen Meister, der nicht nur innovative Ideen, sondern auch den Mut hat, sich auf ein solch riskantes Unternehmen einzulassen, und wird in Venedig fündig. Selbstverständlich ist der Meister nur ein namenloser ausführender Handwerker, den Erfolg wird Peruzzi alleine mit seinem Namen für sich reklamieren.

Gehen wir mal davon aus, dass das Projekt des neuen Schliffs zwar gelingt, das, was wir heute Markteinführung nennen, jedoch nicht, Wofür es schier zahllose Gründe gegeben haben kann, wie z.B. Krankheit, Tod, Raub, Mord, Brände, Plünderung, Krieg oder aber schlicht die finanzielle Pleite. Alles ist möglich und bei einem eher unbedeutenden Nachfahren des Peruzzi-Clans finden sich auch nur wenige dokumentierte Lebensdaten, falls überhaupt.

Was von der Geschichte geblieben ist, sind Gerüchte, Zuschreibungen und vielleicht sogar Dokumente, die lediglich noch nicht gefunden wurden. Und die Diamanten natürlich, die ihren Weg durch Europa gefunden haben und deren neuartiger Schliff von nun an überall kopiert wurde.

Auch wenn der "Mensch kein historisch belegbarer Fakt ist, weil das keinem Geschichtsschreiber bislang einen Tropfen Tinte wert gewesen ist" (Zitat Tatze), bedeutet das noch lange nicht, dass er nicht existiert und tatsächlich
zusammen mit einem venezianischen Meisterschleifer einen großartigen neuen Diamantschliff geschaffen hat. Es bedeutet zunächst einmal nur, dass es bislang keine historische Evidenz dafür gibt. Aber auch das kann sich ändern, denn es sind längst nicht alle noch vorhandenen Archive und Bibliotheken vollständig gesichtet und bearbeitet.

Eine Zuschreibung, die über einen langen Zeitraum tradiert ist, einfach mal so ins Reich der Mythen und Sagen zu verorten, nur weil es keinen Wikipedia-Artikel dazu gibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht schon arg kurzsichtig und ignorant.

Es ist mir klar, dass ich mit meiner - zugegebenermaßen recht fantasievoll ausgeschmückten - möglichen Variante hier wieder anecken werde. Aber sei's drum. Vielleicht tauchen ja irgendwann in einem venezianischen Archiv die
Steuerunterlagen eines Schleifermeisters auf, der von seinem Auftraggeber namens Peruzzi einen gewissen Betrag für das Schleifen indischer Diamanten eingenommen hat. Wie gesagt, möglich ist alles, aber reale historische Möglichkeiten einfach wegzuwischen, nur weil es dazu keine Online-Quellen gibt, halte ich einfach für unmöglich.
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #15
Zitat geschrieben von tatze-1

Ein bestätigtes Selfie von damals ohne GPS-Tracker würde mir ja durchaus reichen

Die Venezianer sollen ja für ihre Buchführung bekannt sein. Wer weiß, vielleicht findet sich ja mal etwas in einem alten Handelsbuch.
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