Vielen Dank für die guten Anregungen und Beispiele! Ich hatte gestern leider keine Zeit mehr und so komme ich erst jetzt dazu zu antworten.
Vielleicht sollte ich noch einmal deutlich machen, dass es mir nicht - und auch nicht irgendwie indirekt - um einen guten "Preis" oder Verkaufsargumente für den
Anhänger geht, wohl aber um seinen Wert in kunsthistorischer Hinsicht. Wenn ich damit hier im falschen Forum gelandet bin, dann bitte ich das zu entschuldigen.
Einen großen materiellen Wert habe ich bei dem Anhänger nie gesehen und daran würde wohl auch eine Entscheidung, ob "Unikat" (Ich hatte den Begriff bewusst vermieden.) oder Kleinserie oder Massenproduktion, nicht viel ändern, es sei denn, man fände noch ein paar Initialen auf der Nase der Dame
Auch eine Zuschreibung zu einem Atelier sah und sehe ich nicht im Bereich des Möglichen. Es geht mir hier, wie bei unseren anderen Flohmarkt-"Schätzen", um Spaß an schönen Dingen und die Gelegenheit etwas Neues zu lernen.
Wie gesagt, ob es sich bei dieser Kamee um eine Großserien-, Massen-, Kleinserienproduktion, Unikat oder Übungsstück handelt, ist doch zweitrangig. Allen ist gemeinsam, dass ihnen ein Entwurf zu Grunde liegt, der bewertet werden kann. Wie der Entwurf dann ausgeführt wurde, ist wieder ein anderes Urteil. Dieser Anhänger ist allergings sicher keine "schnöde Massenware" in dem Sinne, dass vergleichbare und ähnliche Kameen massenhaft bei Goldschmieden, Juwelieren oder Floh- und Antikmärkten zum Kauf angeboten würden. Es ist eben keine liebreizende junge Dame, die an Blumen riecht.
Deshalb hatte ich mich gestern auch so über Marions Post gefreut. Die hinter ihrem Link verborgene "Kubismus-Spotify-Lady", gleich die erste abgebildete Achat-Kamee (Ist sie übrigens immer noch erhältlich? Dann würde ich hier mal die Hand heben
), ist nun neben dem Anhänger erst die Zweite mir bekannte, bei der mal Experimentierfreude in Entwurf und Ausführung sichtbar wird. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber die allermeisten Kameen des 20. Jahrhunderts, die Massenware, sind nun mal stereotyp und im Grunde trivial.
Bei beiden Kameen ist die Formensprache reduziert und bei der größeren Achat-Kamee ist das sicher ein bewusstes Gestaltungsmittel, wo sogar auf die Gesichtsdetails verzichtet wurde und nur eine Konturlinie ausreicht, um das Gesicht glaubhaft und stimmig anzuzeigen. Auch bei meinem Anhänger scheint es sich ähnlich zu verhalten, wobei jetzt nicht alle Lösungen wirklich überzeugen. Wie gesagt, die Ausführung ist dann eine Sache für sich, hier war sicher kein Großmeister am Werk und zu einer "Grand Camée de Flohmarkt" will das Stück auch niemand hochjazzen. Das Ohr sitzt z. B. anatomisch falsch, der Lockenkringel auf der Stirn ist unglaubwürdig usw. Ausgesprochen gut gelungen finde ich dagegen die Gestaltung der hochgesteckten Haare am Hinterkopf: Zwei polygonale Erhebungen, die jeweils eine runde Vertiefung tragen. Insgesamt scheint diese gerundete Darstellungsweise darauf abzuzielen, mit den Lichtbrechungseigenschaften des Materials zu spielen und die Figur aus dem Wechselspiel von Licht und Schatten modellieren zu lassen. Auch die Angabe und Ausformung der Schulter ist doch ein überlegt eingesetztes kompositorisches Mittel: Zum einen wird durch sie erst aus einem blossen Profil eine Wendung des Kopfes, so dass der Eindruck von Bewegung erzeugt wird, und zum anderen wird die fallende Linie des gesenkten Kopfes aufgefangen.
Die unperfekte Oberfläche der Achat-Kamee tritt auch bei der kleinen auf. Sie ist bei der Achat-Kamee auch sicher ein Gestaltungsmittel. Ob sich das beim Anhänger genauso verhält, finde ich angesichts seiner Größe schwierig zu entscheiden.
Zum Material: Demnächst wird der Goldschmied unseres Vertrauens drüber schauen, die Aufhängung wieder stabilisieren, vielleicht nochmal richtig reinigen, aber die "Nickel-Patina" belassen, und dabei werde ich ihn sicher auch um seine Meinung zum Material der Kamee befragen. Ich möchte mich bis dahin nun auch jenen Stimmen anschließen, die direkt für Glas votierten, da auch die sehr ebenmäßige Lichtbrechung wohl letztendlich eher für ein künstliches Material spricht. Die "Höhenlinien", die hauptsächlich an den äußeren Rändern und an exponierten Stellen sichtbar sind, sind dann wahrscheinlich irgendeine Verwitterungserscheinung, oder wie man das bei Schmuck dann nennt. Regelrechte "Mäusezähnchen" habe ich persönlich zwar keine entdecken können, die meisten helleren Spuren auf dem Untergrund und seinem Rand sind entweder "Patina" (Dreck) oder Reste der helleren Schicht. Am äussersten Rand in Höhe des Auges gibt es allerdings eine schilfrige Absplitterung wie bei verwittertem Glas.
Also, vielen Dank fürs Mitlesen, nochmal für die Anregungen, Beispiele und Meinungen und eine schöne Restwoche,
Atalaya