Schönen Sonntag allerseits,
dann machen wir doch gleich mal etwas kostenlosen Bildungsfunk zu Ratzis Geburtstag morgen.
Die Symbolik geht auf einen Text zurück, den wir heute in jeder Bibel finden, nämlich ein Liebesgedicht, das in den Briefen von Paulus vorkommt. Dieser Brief ist übrigens durchaus politisch, denn Paulus schreibt nach Korinth, wo es so manches mehr oder minder kirchenpolitisches Problem gab und so findet sich in seinem ersten Brief an die Korinther die ganze Bandbreite der Redekunst für solche Fälle: Polemik, Drohung, Schmeichelei, salbungsvolles Draufeinreden usw. Das Gedicht jedoch, das natürlich auf einige viel ältere Texte bezug nimmt und das man nach seinem prominenten Fundort Paulus zuschreibt, hat eine Art Eigenleben entwickelt - wie viele Textstellen vieler als heilig verehrter Schriften aus der ganzen Welt, weil es wohl jeden Bibelübersetzer zu besonders klingenden Übersetzungen verführt hat. Dass Glaube, Liebe und Hoffnung, denen man dann noch die Barmherzigkeit nachgeworfen hat, zu DEN vier christlichen Kardinaltugenden wurden, hat damit nicht so viel zu tun, wie manchem Gläubigen lieb wäre: Man fand die Zahl drei einfach romantischer (und da der christliche Glaube es eh mit der 3 hat, taugte die Dreiheit wohl auch eher zum Symbol).
Der Anker als Symbol für die Hoffnung ist schon sehr alt, denn schon das Frühchristentum (also die ersten, die sich Christen nannten) haben den Anker als Zeichen auf Grabstätten benutzt, um damit ihre Verankerung in ihrem Glauben zu zeigen). Und nur wem "sehr alt" zu vage ist: Wir reden vom 2. Jahrhundert.
Das Herz (Liebe) ist im Unterschied dazu zwar ein sehr altes Symbol, das schon die Menschen vor irgendwelchen neuen Zeitrechnungen mochten. Richtig beliebt und auch im christlichen Sinne populärer wurde es aber erst im Klassizismus und dem Biedermeier, nachdem die Romantik es vorher für sich entdeckt hatte und erst später christlicher wurde. Also so inflationär, wie wir es heute benutzen, tun wir das noch keine 200 Jahre.
Das Kreuz für den Glauben - naja, da braucht man wohl nicht viel zu sagen, denn die Kreuzreligion mit ihrem Gekreuzigten erklärt das ja von selbst. Auferstehung symbolisiert sich so schlecht, da ist das mit dem Folterinstrument schon leichter. Im Altertum (also unserem, andere Kulturen haben ja ihr eigenes) galten Kreuze übrigens als Himmels- und Glückssymbole - woran man wieder mal sieht, dass Folterknechte zu allen Zeiten einen komischen Humor haben. Zu DEM christlichen Symbol wurde es wohl unter Kaiser Konstantin (so um das Jahr 330), weil das Bilderverbot ja andere Darstellungen und ihre Verbreitung nicht so leicht machte.
Auf Ikonen gibt es die drei Symbole zusammen schon etwas länger als in der Schmuckform. Da tauchen die drei Symbole zusammen besonders seit dem Biedermeier auf und sind bis heute in so ziemlich jeder Ausführung für jeden Geldbeutel zu bekommen. Es gibt auch noch eine Spezialform für die Grufti-Gothik-Abteilung, aber das wäre dann eine andere Geschichte. Na gut, keine andere, aber eine mit anderer Richtung. Da lassen wir dann doch lieber Paulus selbst das Gedicht aufsagen. Obwohl, eigentlich nicht Paulus, sondern seinen prominenten deutschen Übersetzer, denn ich glaub ansonsten sind unsere Sprachkenntnisse etwas eingerostet. Wenn die Bibel schon mal recht hat, dann kann man sie ja auch zitieren, selbst wenn man ein Vorzeigeketzer ist.
Viel Vergnügen,
Jade
1 Wenn ich in Menschen- und in Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich ein dröhnendes Erz und eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und allen Glauben hätte, um Berge zu versetzen, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.
3 Und wenn ich all meine Habe den Armen schenkte und meinen Leib hingäbe, dass ich verbrannt werde, hätte aber die Liebe nicht, nützte mir’s nichts.
4 Die Liebe ist langmütig, gütig ist die Liebe. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf,
5 sie ist nicht schamlos, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht reizen, sie rechnet das Böse nicht auf.
6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, sie freut sich mit an der Wahrheit.
7 Alles trägt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, allem hält sie stand.
8 Die Liebe hört niemals auf. Prophetie wird aufhören, Sprache verstummen, Erkenntnis vergehen.
9 Stückwerk ist ja unser Wissen, Stückwerk unsre Prophetie.
10 Wenn aber die Vollendung kommt, wird das Stückwerk abgetan.
11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich das Kindliche ab.
12 Jetzt schauen wir noch wie durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich nur Teile, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt sein werde.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.