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Was macht Euch kreativ?

 
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stefan
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stefan

 ·  #16
hallo zusammen,
also ich denke, dass kreativität etwas seltenes ist - kein dauerzustand. sie ist ein geistesblitz, der aber nicht mit dieser entladung endet, sondern in arbeit ausartet (wenn substanz in diesem kurzzeitigen licht erkennbar wird.) dieser blitz kommt nicht aus dem nichts. ich möchte es mal beschreiben wie ein kurzschluss beim stöbern im eigenen kopf. er entsteht aus der zufälligen berührung verschiedener gedanken, die nicht füreinander bestimmt waren. (ich habe ein problem vor augen, kenne auch eine ganze menge lösungen und versuche gerade diesen, mir bekannten lösungen, aus dem weg zu gehen) dieser stromstoss produziert nicht nur adrenalin, sondern krempelt (bei mir meist nur kurzzeitig -stunden bis ein paar tage) meine gedanken
komplett um. vieles ordnet sich im kopf neu und überraschend anders.
als nächstes kommt so etwas wie eine phase der überprüfung dessen, ob das gedachte irgendwie umsetzbar ist. hier brauche ich meist einen weiteren blitz, der mich weiterdenken lässt, obwohl mein momentanes wissen und meine technischen möglichkeiten mir einhalt gebieten wollen. als maß für den innovationsgrad dient mir das unverständnis, welches ich damit auslöse. es gibt einen schönen spruch: "nicht die erfinder sind ihrer zeit voraus, sondern die masse hinterher" .
ein gut designter gegenstand setzt ein stück banalität voraus (vollkommene gesetzmäßigkeit, und maximale häufigkeit) braucht aber auch ein stück originalität (einmaligkeit). ich mag das wort designer nicht, weil (besonders bei gegenständen) das denken an die zielgruppe leicht dazu verleitet nur am lack zu kratzen (oberflächlich zu gestalten) ein bsp. : man findet ein bestimmtes radio besonders toll und will es besitzen, obwohl (oder gerade) weil man weiß WAS es ist, WOFÜR es gut ist und WIE es angeht usw... der designer packt also den kunden an seinen (vor)urteilen.
wenn man aber auf etwas stößt, von dem man vorerst nicht weiß was es ist, wofür es ist und wie es funktioniert erlebe ich meist zwei reaktionen. die einen übergehen es, weil es nicht in ihren maßstäben, horizont, vorstellungen passt. die anderen lassen es sich erklären und aus dem 0% (vor)urteil wird 100% erkenntnis, überraschung, erfahrung. es wird ein urteil möglich, das zum glück oft in begeisterung und in begierde ausartet.
kreativität sehe ich also als eine fähigkeit eine bestehende lücke in einem sich ständig verändernden system zu schließen. das erklärt vielleicht auch warum man öfters glaubt, dass alles bereits schon mal da gewesen ist. es erklärt auch warum vieles als kreativ bezeichnet wird, was lediglich nach dem zufallsprinzip bekannte dinge mischt und unweigerlich dabei "neuen" ästhetischen und geistigen "müll" produziert. wenn aber tatsächlich schon alles da gewesen wäre, warum gibt es dann noch so viele patente und gebrauchsmusteranmeldungen?
kommen wir wieder zum schmuck (man kann aber auch malerei oder sonst was nehmen) vom verkaufstechnischen wird heute eine wiedererkennbare handschrift (künstler, firmen usw.) hochgeschätzt und peinlichst gepflegt. das ist aber der tod für die kreativitÖt. (da hilft auch nichts, dass jeder stein von natur aus schon ein unikat ist...) einzigartig ist nur die einzahl (der anfang, das erste stück, das erste impressionistische bild, der erste mensch auf dem mond, der blitz, das 1%) der rest ist fleiß, marketing, geld (damit kann man auch das eine prozent überspielen.)
kreativität macht sich äher in der fläxibilität bemerkbar. also jedes problem, jede neue aufgabe (hallo uli) von null anzupacken, um das bestmögliche (oder auch das beste denkbare, wenn auch nicht gleich umsetzbare) ergebnis zu erreichen. die vielfalt ist es und nicht die einfalt...
ich denke fürs erste reichts

jetzt habe ich spontan geschrieben, morgen lese ich es noch mal.
gruß stefan
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 ·  #17
Zitat geschrieben von stefan

jetzt habe ich spontan geschrieben, morgen lese ich es noch mal.
gruß stefan


ich unterschreib es Dir auch jetzt schon ...

Zitat geschrieben von stefan
wenn aber tatsächlich schon alles da gewesen wäre, warum gibt es dann noch so viele patente und gebrauchsmusteranmeldungen?


Weil diese Form der Bürokratie eine recht neue Erfindung in der Menschheitsgeschichte ist. Um ein Beispiel aus einem anderen Bereich zu bemühen: seit Bach und Mozart ist es so gut wie unmöglich, eine wohltemperierte Melodiefolge von 3 Takten zu schreiben, die sich nicht auch irgendwo in deren Werk findet. Trotzdem gelingt es sogar Dieter Bohlen heute, andere erfolgreich auf Plagiat zu verklagen. Für Ornamentik und Formen gilt ähnliches. Aber ganz abgesehen von der rechtlichen Frage ist etwas ja auch dann ein eigener Entwurf, wenn er entstand, ohne den zeitlichen Vorläufer überhaupt zu kennen ...

Vielen Dank also für das "spontane aufschreiben"!

Jade
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #18
... ich habe da noch mal nachgedacht ...

Die Überschrift lautete: "Was macht Euch kreativ?"
Antwort: ein Bedürfnis

Darum meine ich, Kreativität umgibt uns ständig. Sie ist ein Teil von uns und darüber hinaus , wenn auch nicht immer gleich ersichtlich, stets zielgerichtet.

Sie ist, da stimme ich Stefan zu, die geistige Fähigkeit, die Umwelt neu zu ordnen, das Ergebnis zu prüfen, es zu verwerfen und Variationen zu versuchen. Ein Großteil findet dabei im Unterbewusstsein statt. Das Ergebniss der neuronalen Verbindungssuche mag dann bei manchem wie der Blitz einschlagen. Der wichtigste Punkt jedoch ist, zu einem Ergebnis zu gelangen. Kommt es nicht dazu, kann das zu fatalen Folgeerscheinungen führen :shock: 😢 :bounce: ...

Mario
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 ·  #19
Zitat geschrieben von MaSa
Kommt es nicht dazu, kann das zu fatalen Folgeerscheinungen führen


... zum Beispiel zu Paranoia oder anderen geschlossenen Systemen von Wahnvorstellungen bei Isolationshaft insbesondere in leeren Räumen. Eine sehr effektive und schnell funktionierende "körperlose" Foltermethode. Klappt immer und bei jedem, nur nicht immer in derselben Zeit.

Aber lieber zurück zum alltäglich-positiven ...

Wenn Kreativität eine Ausdrucksform braucht, also sagen wir mal einen praktischen, sichtbarem (hörbaren, fühlbaren) Teil, also ein Handwerk, damit die Idee Gestalt annehmen kann: Was ist dann zuerst da? Ich meine, nicht jeder hat das Talent zum Goldschmied. Und nicht jeder zum Pianist oder Schriftsteller. Schumann beispielsweise war ein Typ mit genialer Musik im Kopf, aber ohne das Talent, sie selbst zu spielen (was dann glücklicherweise seine Gattin für ihn tun konnte, das Klavierspielen), also das Talent hat ja zunächst mal gar nichts mit bestimmtem Ideenreichtum zu tun. Oder kommen die Ideen mehr aus dem Handwerk, zu dem man Talent hat und das man von der Pieke auf gelernt hat, und führt diese Kreativität aus der Praxis dann eben manchmal an die Grenzen des eigenen Talents? Oder sucht man sich das Handwerk, mit dem man die eigenen Ideen am besten umsetzen kann?
Was macht Ihr, wenn sich eine Idee mit Eurem gelernten Handwerk nicht gestalten lässt? Verwerft Ihr die Idee? Und, sofern Ihr Ausbilder seid, wie geht Ihr mit einem Lernenden um, bei dem Talent und Kreativität einfach nicht in Einklang zu bringen sind? Egal wie herum?
Und damit auch noch mal zurück zur Ausgangsfrage: Wie weckt Ihr gezielt Kreativität bei Euch oder - sofern Eure immer und ewig übersprudelt - bei anderen, zum Beispiel bei handwerklich hochtalentierten? Oder kann man das letztlich gar nicht?

Viele Grüße,
Jade
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #20
Hallo Manfred,

Zitat
Der grösste Feind künstlerischer Kreativität ist bei mir der Stress.


Ich glaube, nicht nur bei Dir, denn wenn ein Schiller oder ein Goethe sich beispielsweise der Kopf-und Knochenmühle eines Stahlwerkes hätten aussetzen müssen, dann hätte der Herr v. Schiller bestenfalls nach seiner Flasche Bier gebrüllt und Goethe wäre sicher gern sein Saufkumpan gewesen. Reingespuckt hat er ja ohnehin nicht. Was isch damit sagen will ist: Malochen zementiert die Birne zu, oder zu viel Arbeit tötet Geist. Und damit leidet natürlich auch die Kreativität. Sie hat, glaube ich, damit zu tun, dass man persönliche Erlebnisse aus der Vergangenheit, mit den Karten der Gegenwart mischt.

Das setzt nun wieder eine gewisse Aufmerksamkeit, Wachheit voraus. Je skurriler die Zusammenstellungen, je querdenkerischer der so Kreative ist, um so origineller sind seine Einfälle. Aber es ist auch irgendwie mühsam, denn Querdenken, das heißt die eingefahrenen Bahnen und Wege verlassen und den frisch gepflügten Sturzacker zum (gewollten) Weg zu wählen. Aufmerksamkeit wiederum, setzt Ausgeschlafensein, innere Ausgeglichenheit voraus. Im Wechselschichtbetrieb kaum zu verwirklichen. Vielleicht sind deshalb so viele wirklich Kreative unter den gutgelaunten Hungerleidern zu suchen, und vielleicht schieben diese Zeitgenossen schon rein instinktiv Verpflichtungen zur Seit, um sich nicht zu blockieren. Denn nicht nur Arbeit tötet das Kreatve, sondern auch die Verpflichtungen.

So gesehen ist der Kreative wahrscheinlich ein immerdursiger Habenichts mit wechselnden Beziehungen und wenig persönlichem Besitz. Obwohl - der alte Goethe entspach nicht unbedingt diesem Typus, denn er hat es immerhin zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Was allerdings seinen Hang zur Trunksucht der Polygamie und zur hemmungslosen Fröhlichkeit betraf, hier war er wieder ein echter Kreativer. Aber noch etwas gehört zum erfolgreichen, weil kreativen Kündstler: Besessenheit. Ohne die ist eigentlich alles unvorstellbar. Besessenheit ist der Feind des Geregelten. Sonit sollten echte Kreative wohl in der Überzahl auch einigermaßen unpünktliche Menschen sein. Da gelebte Kreativität auch etwas mit Mut zu tun hat, denn ohne den erforderlichen Mut ist sie unvorstellbar, schließt sich hier der Bogen zur Unpünktlichkeit, denn auch die braucht ihren Mut. Es gibt ja viele Leute, die kommen schon aus Angst vor den Mitmenschen, in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges Mal zu spät.

Wenn ich mit diese angenommenen Eigeschaften so ansehr, sind Kreative eigentlich richtig nette Menschen!

Gruß, Ulrich
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 ·  #21
frei mit Marx: Erst kommt das Fressen, dann die Kunst.

Aber, Ulrich, irgendwo ist da ein Bruch in Deinem Künstlerbild. Ist das Absicht?Denn wer es mit der Trunksucht, der Polygamie und dem auch sonstigen immer fröhlichen Durst hält, ist selten ausgeschlafen, aufmerksam und ausgeglichen. Jedenfalls nicht vor ein Uhr mittag oder dem ersten Glas Rotwein. Obwohl: Alkohol macht vielen Mut und nachweislich auch den, Ideen umzusetzen. Und Selbstbewußtsein natürlich, in der immer etwas übersteigerten Form, ohne die wohl nie jemand beginnen würde, seine eigene Idee ernst zu nehmen.

Andererseits gibt es auch die kreativen Bürger, also Menschen mit einem fast spießigen obergeregelten äußeren Leben, für die dann ihre Kunst der Ort wird, an dem sie die Sau rauslassen. Sie konstruieren den Bruch dann anders herum: Ein Leben wie im Käfig und die Freiheit in der Kunst. Künstlerische Besessenheit im Wohlanständigkeitskorsett sozusagen.

Braucht man also doch einen gewissen Stress für die Kreativität? Eine Art positiven? Inneren?

Oder persönlich formuliert: Wenn ich richtig glücklich bin, dann kann ich erst recht nicht arbeiten. Es sei denn, der Anlass für das Glück ist ein konkreter Mensch, der mich inspiriert und für den ich dann etwas schaffen möchte.

Jade

P.S.: Herrn Schiller muss ich übrigens ein wenig in Schutz nehmen, denn der war die meiste Zeit seines Lebens ein ziemlich armer und hungernder Mann in nicht besonders guten Verhältnissen. Als sich das änderte, starb er kurz darauf. Aber ansonsten stimmt es schon oder wie man früher mal sagte: Goethe und Schiller soffen und hurten sich durch Weimar (ist schon toll, wenn man wenigstens einen Freund hat, der die Zeche bezahlt). Aber so machen das Popstars wohl seit Ewigkeiten ... und Grupies zahlten ja dafür immer sogar noch drauf.
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