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B: Altersbestimmung von Erbstück

 
uli p.
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uli p.

 ·  #1
Könnt Ihr mir helfen, das abgebildete Schmuckstück zu datieren?

Es gehörte meiner Großmutter, die es definitiv von meiner Urgroßmutter (*1885, + 1972) geerbt hat.

Zu dem Schmuckstück gehört folgende, vage Familien-Geschichte:

Der Großvater ("Wilhelm") meiner Urgoßmutter soll ein unehelicher Sohn des Grafen Rantzau gewesen sein.
Gesichert ist, dass 1.) "Wilhelms" offizielle Eltern Kammerzofe und Diener beim Grafen Rantzau auf der Breitenburg bei Itzehoe waren, 2.) "Wilhelm" als uneheliches Kind der Kammerzofe 1820 geboren wurde, 3.) der Diener des Grafen das Kind "Wilhelm" als eigenen Sohn anerkannte, 4.) der Diener des Grafen die Kammerzofe heiratete und 5.) der Diener anschließend Oberförster des Grafen wurde.

Angeblich soll die Familie "Wilhelms" als Entschädigung eine Aussteuer vom Grafen bekommen haben, u.a. auch dieses Schmuckstück. Da meine Großmutter 1945 aus der Gegend des damaligen Stettins geflohen ist, ist von den Erbstücken außer dieser "Brosche" praktisch nichts mehr im Familienbesitz.

Nun zum Schmuckstück:
- Es trägt keinerlei Stempel,
- es weist einige Reparaturen und Ergänzungen auf (der Patentverschluss ist sicher 20. Jahrhundert und zwei Ösen sind einmal von mir im Alter von 13 Jahren mit Zinn angelötet worden...);
- das Metall ist m.A. nach Silber;
- die "Steine" kann ich nicht beurteilen;
- Perlmutt oder Perlen?
- das Ganze sieht so aus, als wenn es nachträglich als Brosche umgearbeitet worden ist - eventuell sogar aus mehreren, ursprünglich nicht zusammen gehörenden Teilen ...

Könnte es also sein, dass Teile dieses Schmuckstücks älter als 1820 sind oder ist es eher ein Mitbringsel aus Urgroßonkels Kolonialzeiten um 1900?

Liebe Grüße
Uli[/b]
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Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #2
Hallo Ulli,

ich tippe mal auf etwa 1860. Dass die Teile ursprünglich einmal einen gewissen Anspruch hatten, ist unverkennbar, denn auch die Rückseiten sind sorgfältig bearbeitet worden. Die kleineren Perlen halte ich für Süßwasserperlen (Flügelperlen), was aber keine richtigen Perlen sind, sondern aus den Gehäusen der Süßwasserperlmuschel gewonnen wurden. Sie wurden in früherer Zeit vor allem dort verwendet, wo man tropfenförmige Perlen brauchte (Ohrringe, Anhänger u. dgl.) Diese Perlen sind nur von der Vorderseite schön, deshalb wurden sie in Schalen verarbeitet, die rückseitig geschlossen waren. Die Mittlere Perle ist ebenfalls dieser Gruppe zuzurechnen, aber anscheinend ein anderes Material. Große Mengen dieser Flügelperlen kamen aus dem Missisippi, aber auch aus dem heimischen Odenwald. Aber die Zivilisation hat schon lange dafür gesorgt, dass die "Wasserqualität" diese Muscheln ausgerottet hat. So gesehen also mit die Letzten ihrer Art.

Die kleinen Steine scheinen mir rote Spinelle oder Rubine, Zirkone, Smaragd(?), evtl. Diamanten und wieder eine Süßwasserperle zu sein. Die Arbeit ist recht fein ausgeführt und wurde wohl für "bessere Leute" gemacht.

Zum Material: Nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft unter Napoleon, war Europa in einem unglaublichen Maß verarmt. Die Ausplünderung durch die Französischen Kriegsherren hatte auch zur Folge, dass ein eklatanter Mangel an Edelmetallen herrschte. Mit Gold und Silber wurde aus diesem Grund nur sehr sparsam umgegangen. Überhaupt hatte Silber einen wesentlich höherern Stellenwert als heute. Da Silber viel schwieriger zu gewinnen war als das Gold, war es auch im Verhältnis sehr viel teurer als heute. Erst als die Silberschlämme durch die Elektrolyse bei den Kupferhütten und den industrieellen Verarbeitern quasi als Abfall des Raffinierungsprozesses anfielen, ging es bergab mit den Silberpreisen - und der Wertschätzung für dieses charmante Metall.

Die vorliegenden Schmuckstücke sind also in ihrer Zeit durchaus das gewesen, was man heute als guten Schmuck bezeichnet und in keiner Weise mit dem Silber- Flohmarktramsch unserer Tage zu vergleichen.

Gruß, Ulrich
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #3
Dem ist nichts hinzuzufügen. Hervorragend. :-)

Insbesondere die Muster auf der Rückseite der zwei "Flügelperlenanhänger" sprechen für die Mitte des 19. Jhdts. Die zwei hellgelben Steine links und rechts neben der kleinen Perlmutt-Perle sehen nach der Schlifform und der Fassart weniger nach Diamanten aus, eher nach Goldtopas oder ähnlichem.
Diamanten hätte man in solch einer Brosche etwas anders gefasst und prominenter herausgestellt. Auch die Lichtbrechung scheint etwas zu gering, da sie ein Unterteil haben das mehr Lichtreflexe bringen müsste. Aber das hast Du auch schon vermutet.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #4
uli p.
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uli p.

 ·  #5
Hallo Ulrich, hallo Heinrich,

vielen Dank für Eure Antworten und Erläuterungen!!

Zur Altersbestimmung "etwa 1860":
Könnte es schon 1851 gewesen sein, da hat der uneheliche Sohn als Schuhmachermeister nämlich geheiratet? Oder wäre das stilistisch und/oder technik-geschichtlich auszuschließen/unwahrscheinlich?

Diamanten sind es wohl nicht. Intuitiv hätte ich jetzt Beryll gesagt, weiß aber nicht genau warum.

Was könnte das ganze denn mal gewesen sein?
Der Patentverschluss ist ja erst später zugefügt worden und das Ganze sieht mir irgendwie zusammengepuzzelt aus, findet Ihr nicht? Ich hab mal an Kleider-Besatz gedacht - weiß nicht, wie man das nennt - also festgenäht an ein Kleid...

Auch die silbernen Rückseiten der "Flügelperlen" sind ja unterschiedlich.

Und die beiden seitlichen Perl-Anhänger "überdecken" den mittleren Perl-Anhänger beim freien Hängen teilweise. Deshalb dachte ich, dass die Teile ursprünglich nicht zusammengehört haben könnten...

Was würde wohl eine "Restaurierung" größenordnungsmäßig kosten, also Erneuerung des fehlenden Steins, Säuberung und Erneuerung der Ösen?

Liebe Grüße
Uli
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #6
pitbum
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pitbum

 ·  #7
Um noch kurz etwas hinzuzufügen.
Das Schmuckstück ist ein schönes Beispiel des Historismus. Besonders in der Zeit ab 1850 bis zum Jugendstil gab es keine eigenständige Stilentwicklung, sondern meist eine Neuauflage älterer Stile. In diesem Fall ist der Renaissanceschmuck eindeutiges Vorbild. Ich hatte in den letzten 30 Jahren vielleicht 5 oder 10 Exemplare dieser Art in der Hand. Häufig sind die Stücke in Silber gearbeitet, Fassung gegossen und die Steine Synthesen. Nichtsdestotrotz ist diese Art Schmuck recht selten, wenn auch nicht hoch bewertet. Schön aufbewahren.
Güsse
pitbum
uli p.
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uli p.

 ·  #8
Hallo Pitbum,

nein, das bleibt in Familienbesitz!
Eher denke ich daran, das Stück mal aufarbeiten zu lassen.

Hast Du vielleicht Fotos von Vergleichsstücken? Ich habe nirgends etwas stilistisch ähnliches gefunden.

Liebe Grüße
Uli
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