Hallo Stefan,
da bist Du aber über etwas was vom Allerfeinsten gestolpert. Allerdings sind derartige „Transformermöbel“ nicht etwa das Produkt eines reinrassigen Tischlereibetriebes, sondern das überzeugende Ergebnis einer gewerkeübegreifenden Zusammenarbeit.
Vermutlich wären Abraham und später David Roentgen, obwohl absolute Luxusmöbelhersteller, niemals so berühmt geworden, wenn die Verflechtung mit den Uhrmacher- Autodidakten Christian und Peter Kin(t)zing, die eigentlich Müller waren und aus Rengsdorf bei Neuwied stammten, nicht gewesen wäre. Viele Müller widmeten sich damals, während der monatelangen strengen Winterzeit,, wo alles zugefroren war, zum Zeitvertreib der Uhrmacherei. Die genialen Kinzingbrüder bauten nicht nur Uhren, sondern auch die okkulten Mechanismen, die in vielen Roentgenmöbeln verborgen sind und für die schier unglaublichen Effekte sorgen. Eine Fülle von Meisterwerken belegt noch heute eindrucksvoll, zu welchen Leistungen Roentgen und die Kinzings fähig waren.
Bereits Abraham Roentgen hatte sich die besten Verbindungen zu Fürstenhäusern in ganz Europa aufgebaut, welche von seinem Sohn David sorgfältig gepflegt wurden. Selbst Friedrich der Große besaß eine Intarsienuhr von Roentgen mit einem Uhrwerk von Kinzing.
Ich habe durch die Zusammenarbeit mit einem Restaurator, der für Museen, aber auch für private Sammler arbeitet, öfter Stücke von Roentgen bewundern und auch schon (im Auftrag) Reparaturen an den mechanischen Metallteilen vornehmen dürfen. Ich weiß nicht, welcher Bereich mir mehr Ehrfurcht abgenötigt hat: Die unvergleichliche und fertigungstechnisch unglaublich raffinierte Holzarbeit, oder die genialen Mechanik der Gebrüder Kinzing.
Wenn man sich dann noch überlegt, dass sich diese, als Autodidakten selber die Uhrmacherei beigebracht haben und dass sie auch ihre Maschinen und Werkzeuge selber herstellen mussten, wird einem die unglaubliche Leistung dieser Menschen bewusst.
Eines der Geheimnisse von Roentgen bestand darin, dass sich bereits Abraham Roentgen auf manufakturgemäßes Produzieren verlegt hatte. Viele seiner exzellenten Intarsien bestehen aus Abschnitten von bündelweise zusammen geleimten Edelhölzern, die dann in Scheiben geschnitten und anschließend baukastenartig weiter verarbeitet wurden. Einige dieser Techniken werden auch heute noch angewendet, beispielsweise im Instrumentenbau, etwa bei den Schalllocheinfassungen akustischer Konzertgitarren.
Ein Besuch in Sanssouci, Berlin oder auch im Roentgen- Museum in Neuwied lohnt sich für interessierte Bewunderer feinster Handwerkskunst auf jeden Fall.