Hier nun auch mal eine Geschichte von mir. Eigentlich war ich dabei nur der stille Beobachter, aber die Ereignisse haben ausgereicht, um mich für den Rest des Tages sprachlos zu machen. Auch eine Art persönlicher "Pleite".
Das Borrmassinn
Also, das war so: Mein Freund Uwe ist ein fleißiger Flohmarktjäger. Kaum einen Händler aus dem Umkreis, den er nicht kennt. Mit Inventurliste und Lebenslauf. An jenem Sonntag war Düsseldorf dran. Damit sich die Sache auch lohnt, sagt Uwe, muss man früh auf dem Flohmarkt sein. Und so kam es, wie es kommen musste: 5,30h, es klingelt Sturm: Uwe.
Kameraschwenk nach Düsseldorf: Mittlerweile ist es 7,30h, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des jungen Julitages, tauchen folgende Szenerie in goldenes Licht: Auf der Erde ausgebreitet, liegen in Reih und Glied etwa 15 Bohrmaschinen. Dahinter, etwa 3 Meter weiter steht ein alter, wackeliger Holzstuhl. Und auf diesem sitzt ein Türke oder Armenier, weiß der Teufel wo der Mann zu Hause sein mochte. Er hat einen deutschen Trachtenhut über die Augen gezogen und ist in der wärmenden Sonne offensichtlich eingeschlafen. Bekleidet ist er noch mit riesigen Stiefeln fremdländischer Machart, mit einer weiten Hose, die anscheinend einmal aus einer alten Decke gefertigt worden war und einer alten, speckigen, aber warm und solide wirkenden Jacke. Das Ganze wird zusammengehalten, von einem breiten Lederkoppel, offenbar aus Militärbeständen,
„Nun sieh dir den an! “, raunt Uwe mir zu, „der macht sich ‚nen Lenz“. Ein wenig Neid schwingt in seiner Stimme mit. Dann erfassen Uwes geschulte, immer flinke Augen, die Bohrmaschinen. Abschätzend nimmt er die Erste in die Hand, prüft Lagerspiel, Getriebefunktion, Kabelanschluss, legt sie weg und nimmt die Zweite. Dann die Dritte, vierte, Uwe ist ein echter Flohmarktprofi und genießt jede Schraube, jeden Kratzer des jeweiligen Objektes seines Interesses. Mittlerweile hat er fast alle Bohrmaschinen untersucht. Plötzlich, völlig unvermutet, klingt eine Stimme an sein Ohr: “Das Massinn ist voll ok, de Preis 30 Mark. Das andere Massinn iste Kabel ab, aber geht nok, Preis ist 15. De blau Masinn is nur nok für Bastel, Preis muss haben 2 Mark. Und so geht es weiter, ein Redefluss wie ein Maschinengewehr! Kaum dass er einmal Luft holt. Dann schiebt er sich ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren den Hut wieder ins Gesicht und ist nicht mehr zu sprechen!
Uwe ist annähernd sprachlos, was einiges bei ihm heißen will. Natürlich haben weder ich, noch Uwe dem Redeschwall folgen können und so nimmt er leicht verunsichert wieder eine der Maschinen zur Hand. Er dreht gedankenvoll am Bohrfutter und bemerkt betont unauffällig: „Das Bohrfutter allein ist den Kaufpreis drei Mal wert“. In der Tat, weiß der Geier, wie dieses Präzisionsfutter auf die einfache Bohrmaschine gekommen ist. Um nicht die Aufmerksamkeit des Verkäufers zu wecken, nimmt er scheinbar wahllos eine der anderen Maschinen in die Hand und Bewegt den Schalter hin und her.
Plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, springt der Verkäufer auf:“ Was du kuk mit deine deutsen Augen mein Borrmassinn in de Ars erein! Is dir aben gesagt, das Massinn ist gut und is sagen dir nok einemal de Massinn iste gut“ Und zum Beweis seiner Worte, entreißt er dem verdutzten Uwe die Bohrmaschine und deutet mit einem unsäglich schmutzigen Finger auf ein ungelenk bekritzeltes Etikett. Und da steht es tatsächlich: Drei Buchstaben sind zu sehen, krakelig, kaum lesbar auf dem verdrecken Papier: Ein „K“, ein „U“ und ein „T“, KUT !
Das war es also, das Massinn war kut!!! Dreht sich um, zwei Schritte, setzt sich ohne uns noch eines Blickes zu würdigen auf seinen Wackelstuhl, schiebt sich den Hut über die Augen und gibt sich erneut der morgendlichen Sonne hin!