Hallo Auchgast,
Günstig, mit diesem Wort wurden und werden schon immer ganze Völkerschaften geködert. Traditionell sind dabei die Länder mit dem niedrigsten Lebensstandart die günstigsten, weil die dortigen Händler mit erheblich niedrigeren Aufschlägen arbeiten können, als es in den Hochpreisländern der Fall ist. Allerdings sind dort auch die gehandelten Qualitäten meist entsprechend. Wie es einem Kunden von uns ergangen ist, zeigt diese kleine Geschichte:
Eine unschöne Erinnerung
behält Alex S. Der junge Mann hatte sich aus dem Urlaub ein ID-Armband mitgebracht und sich damit einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Natürlich hatte Alex sich vorher schon bei deutschen Juwelieren und auch bei mir nach solchen Bändern erkundigt. Aber, na ja, der Preis, der war halt doch für seine Verhältnisse viel zu hoch, denn er wollte etwas ganz Besonderes.
Die Kette, das sollte eine flache Panzerkette, aus möglichst leicht rötlichem Gold sein. Am besten 750-er Gold, die Farbe passte hervorragend zu seinem südländischen Äußeren. Obwohl er von deutschen Eltern abstammt, sieht Alex aus, wie ein Sizilianer mit arabischem Einschlag. Ja, und auf dem Namenschild, da hätte er gern seinen Namen in Weißgold gehabt, ganz und gar besetzt mit kleinen Brillanten. 6.500 bis 7.500 Mark hatte man ihm gesagt, ein Vermögen!
Und nun, im Urlaub, er hatte am Ort recht bald einen recht netten jungen Mann kennen gelernt, der einen Cousin hatte, der ein Goldwarengeschäft führte. Klein zwar, aber vollgestopft mit den herrlichsten Dingen. Alex war hin und weg. Natürlich kam die Sprache recht bald auf ein
Armband und Alex beschrieb mit leuchtenden Augen, was er sich erträumte. Aber, so fügte er hinzu, so eine Menge Geld, nein, völlig ausgeschlossen. Erhan und sein Cousin, er hieß Mustafa, hatten volles Verständnis für ihn. Was nicht geht, das geht eben nicht!
Am Abend danach, sah er Erhan auf der Straße. Freudig kam er auf Alex zu und sprudelte los:“ Also, paß auf, isch geprochen mit Mustafa. Hat noch
Kette von andere Kund, war zu viel. Ist ibrig. Ungefähr 15 Sentimetre. Kette ganz kut Gold 22 Karat! Wenn du wollen, Mustafa machen eine Sild mit Namen Alex, dann Länge für dich kut. Noch dazu ein klein Sloss und fertig dein Treum.
Alex verschlug es fast die Sprache. Nach einem Augenblick des Schweigens, fuhr Erhan fort:“ Weist du, isch klauben, Mustafa nix kut. Hat Problem. Weist du die Mann alle spielen, ja, na du weißt schon für Geld. Mustafa hat nix kut gespielen, hat jetzt Schuld. Und das muß bezahlen unbedingt! Du kannst ganz billig kaufen deine Treum, Mustafa brauchen Geld, machen Super Spezialpreis. Für disch, weil Freund von Erhan, also Freund von Familie.
Alex kaufte das Band mit Brillanten und Schriftzug durch Vermittlung seines Freundes Erhan, der ihn auch mit wertvollen Ratschlägen für die Kaufverhandlung versorgte, schließlich für ganze 2.850.- Mark. Geschenkt! Zwar mußte er fast zwei Tage warten, weil das Band ja schließlich angefertigt werden mußte, dann hatte er es. Endlich! Den Rest seines Urlaubes verbrachte er zwar annähernd mittellos, aber glücklich. Leider fiel auf dem Rückflug einer der Brillanten raus, aber das konnte seine Freude eigentlich nicht sonderlich beeinträchtigen.
So weit die Vorgeschichte, denn dadurch kam dieses Teil auf meinen Werktisch.
Alex beschrieb mir in den leuchtendsten Farben die Goldschmiede an seinem Urlaubsort. Besser, billiger, schneller, was weiß ich noch. Vor allem seien wir Deutschen eben doch viel zu teuer. Ich gestehe ein, daß mich Alex in diesem Augenblick doch dein bißchen geärgert hat. Verstimmt nahm ich das Teil entgegen.
Was sollte das sein? 22 Karat? Im Leben nicht! Als altgedienter Goldschmied rieche ich förmlich den Feingehalt. Das war weniger, und zwar ganz bestimmt! Ein Blick auf die Steine. Nun hatte ich wirklich Mühe ernst zu bleiben. Zirkonias und dazu noch schlecht geschliffene! Teilweise kaputtgemacht bei dem Versuch sie zu fassen. Einer fehlte.
Ich erspare dem werten Leser weitere technische Einzelheiten. Nur so viel: Statt 22 Karat waren es magere 18, also 750er Gold, im Inneren der hohlen Glieder fand ich reichlich Kupferrückstände, die Alex als 22 karätiges Gold (916/000) gekauft hatte! Die kleinen Brillanten waren sämtlich Zirkonias, teilweise defekt, die Verarbeitung schlichtweg miserabel, und das Weißgold entpuppte sich als rhodiumbeschichtetes Gelbgold. Das gesamte Gewicht lag bei 44 Gramm (inclusive des Kupfers!).
Ein solches Teil hätte in Deutschland, und zwar in Prmitivausführung aber korrekter Qualität, damals etwa DM 2.400 gekostet, als ganz normal und ohne besondere Konditionen. Mit dieser Erfahrung wird der Alex wohl leben müssen. Hin und wieder sehe ich ihn mal - das Armband hat er seither nicht mehr getragen.
Ulrich Wehpke
Goldschmiedemeister