Goldschmiedeforum
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CAD u. nachgeordnete Verfahren d. Schmuckhersterstellung

 
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Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #1
Hallo Schmuckliebhaber,

hier werde ich in Zukunft, in lockerer Reihenfolge, immer mal wieder einige Dinge aus der Welt der moderneren Schmuckherstellung bringen.

Diese Artikelfolge richtet sich nicht nur an den Praktiker, sondern auch an den Endkunden. Es soll ein wenig Kenntnis über die moderneren Techniken des Goldschmiedeberufes vermittelt werden. Auf diese Weise erhoffe ich mir auch, dass künftig einige der fundamentalen Fragen nicht mehr gestellt zu werden brauchen.

Die nachfolgend aufgeführten 7 Bereiche werden jedoch nicht der Reihe nach abgearbeitet. Bedenkt bitte, dass die einzelnen Beiträge alle aus der Praxis heraus entstehen werden, also sozusagen als der "publizierte Abfall" eines Goldschmiedeateliers zu betrachten sind. Zu den einzelnen Punkten werde ich künftig Beiträge unter Hinweis auf den Gliederungspunkt veröffentlichen. Im Einzelnen habe ich die Themen in sieben Bereiche gegliedert, von denen der Punkt 7 sicherlich der umfangreichste ist:

1) Sribble - Idee mit einer groben Skizze zur Fixierung.

2) CAD- Dreidimensionale Zeichnung via Bildschirm, evtl. mit sogen. Renderings, das sind fotoähnliche Aufbereitungen einer CAD - Zeichnung.

3) Erstellung einer geeigneten (Steuer-) Datei unter Zugrundlegung der erstellen Bilddaten, zur Steuerung der einzelnen ausführenden Geräte. Das ist eigentlich zu fast 100% eine reine Maschinensache, kaum Arbeit, aber eminent wichtig.

4) Umsetzung der Daten in 3D-Vorlagen aus Wachs oder anderen, geeigneten Materialien. Diese Vorgehensweise erspart die durch die Zerspanung anfallenden, kostspieligen Edelmetallabfälle, vermeidet an den Produkten Problemzonen, wie Lötnähte u. dgl. Die Modelle sind maßgenau, somit auch nicht mehr ungewollt unrund, oder krumm und schief, Materialstärken entsprechen den gewollten Vorgaben usw.

5) Umsetzung der Gussmodelle zu einem Schmuckstück aus Edelmetall, oder zu einer Gussform, zur Herstellung von weiteren Wachsrohlingen für die Produktion der eigentlichen Schmuckstücke.

6) Das Gießen in den verschiedenen, jeweils geeigneten und notwendigen Gießvorrichtungen und Geräten.

7) Die Ferigstellung der gegossenen Rohlinge zu fertigen Schmuckstücken, incl. der erforderlichen Nachbearbeitungen.

So, und nun würde ich mich auf eine möglichst breite Resonanz freuen, es dürfen/sollen auch Fragen gestellt werden, wer eigene Erfahrungen einbringen könnte, ist herzlich aufgefordert, dies auch zu tun. Wer mit unserem Beruf nichts zu tun hat, sich jedoch dafür interessiert und Fragen hat, ist genau so herzlich aufgefordert dies auch zu tun.

Nur um Eines bitte ich ganz lieb: Vermeidet bitte Anfragen wie: "Ich habe da im Internet was gesehen, geht das auch noch billiger?"

Bedenkt bitte folgende Tatsache: In (fast) allen Inernetshops werden Waren angeboten, die von der Industrie auf dem billigsten, eben möglichen Standard in Großserie produziert wurden.

Also: Wem es nur um den Preis geht, der sollte im Internetshop kaufen, denn hier gibt es Einzelstücke, hier gibt es künstlerische Kreativität, hier gibt es handwerkliche Qualität

Und nun viel Vergnügen!
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #2
Beitrag zu Punkt 6

Anfangen möchte ich mit einer Gussarbeit. Das CAD wurde erstellt auf ArtCam Jewelsmith , und zwar in zwei Teilen. Diese wurden umgesetzt, auf einer ROLAND MDX 540. Verwendet wurden div. Hartmetallfräser und blaues Feilwachs.

Da das fertige Teil innen hohl sein sollte wurden die beiden Einzelteile getrennt gefräst und danach zusammengeschweißt. Das fertige Modell wurde in eine handelsübliche, gipsgebundene Einbettmasse geschlickert und nach dem Aushärten incl. 8 Stunden Ruhezeit im Ausbrennofen ausgebrannt.

Nach dem Erreichen der Gießtemperatur wurde die Form in einem offenen, athmosphärischen Sauger mit verflüssigtem Sterlingsilber gefüllt. Der Schmelzvorgang selbst, wurde in einem offenen Tiegel mit der Gas/Sauerstoff-Flamme vorgenommen. Der Guss ist von guter Qualität und ohne sichtbare Fehler ausgefallen.
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AlexDu
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AlexDu

 ·  #3
Hallo Ulrich,

schöne Idee, genau aus dem Grund treibe ich mich hier rum.
Und schon gehts los mit der Fragerei 😉 .
Könntest Du zum Fräsen noch ein paar technische Daten, wie z.B. Fräser, Drehzahl und Vorschub nennen.
Ich habe es noch nie mit Wachs probiert, könnte mir aber vorstellen, dass es eine Gratwanderung mit den Parametern ist, um das Wachs nicht zum schmelzen zu bringen.

Gruß Alex
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #4
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #5
Hallo AlexDu,

Ok, dazu müsste ich erst mal genau wissen was Du betreibst. Mein Sohn macht es auf einer Roland MDX 540, d´bei einer Spindelgeschwindigkeit von 20.000 upm. Verwendet werden Hartmetallfräser mit Kugelkopf. Zum Schruppen Schaftfräser, Kugelkopf Durchmesser 1,5 mm, nachfolgend Schaftfräser Kugelkopf 0,80 mm, Feinfräsen Drekant-Kugelkopffräser, auch HM, Durchmesser ca 0,075 mm.

Gefräst wird trocken. Dadurch bleiben zwar winzige Wachsspäne, vor allem in den Ecken haften, die sich jedoch mit Druckwasser leicht und schonend entfernen lassen.

Als Fräswachs haben wir ganz normales, blaues Feilwachs verwendet. Der Guss wurde mit dem Originalmodell vorgenommen, da hiervon nur ein Exemplar gegossen wurde.

Also ein echtes Unikat.

Ich weiß nun nicht, was Du an Fräsmöglichkeiten hast. Um so etwas zu machen, reicht eigentlich eine kleine Portalfräse vollkommen aus. Aufassen muss man nur beim Wenden der Wachsplatten, damit man keinen Versatz bekommt. Als Antrieb reicht ein ganz normales Mikromotor-Handstück aus, z.B. diese Handstücke mit dem seitlich sitzenden Spannhebel, damit man die Werkzeuge einigermaßen einfach wechseln kann.

Wichtig ist auf jeden Fall eine el. Werkzeugvermessung, da das Einspannen nach Augenmaß erfahrungsgemäß niemals hinhaut. Das gilt auch für die teuren Fräser mit Längenanschlag. Das ist alles nicht genau genug. Wenn der Fräser herunter gefahren wird und er auf der Messplatte den Stromkreis schließt, dann weiß man sehr genau wie lang das Teil ist und kann ohne hässlichen Versatz weiter arbeiten.
Wegen auftretender Schwingungen, sollten die Fräser eine Schaftstärke von 3mm nicht unterschreiten, oder, die sind billiger, 2/16-tel Zoll (3,175mm) die Dentalnorm (3/32-tel Zoll) 2,35 mm deutsch ist einfach zu schlabberig.
AlexDu
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AlexDu

 ·  #7
@Heinrich:
Die Idee mit dem Wasserbad gefällt mir. Vielleicht auch für andere Sachen, bei denen man sich den Aufspanntisch einschweinert mit dem Kühlmittel.
Jetzt, wo du es geschrieben hast fiel mir wieder ein, dass ich sowas mal gesehen hatte, beim Fräsen eines Münzstempels.
Da könnte man ja das zu fräsende Teil mit Fasserkitt am Boden anpappen. Werde ich auf jeden Fall mal versuchen.

@Ulrich:
Meine Fräse ist ein Eigenbau, feststehendes Portal. Motor ist eine HF-Spindel mit bis zu 24.000 U/min.
Mit diesen Kugelkopffräsern (du hattest die schon mal woanders erwähnt) muß ich mich nochmal intensiver befassen.
Werzeuglängensensor fehlt noch. Aber in Wachs müßte es doch auch mit einem Fräser für beide Arbeitsgänge (Schruppen und schlichten) gehen, oder?
Was hälts du von Graviersticheln 0,1 oder 0,2mm? Die hab ich schon da.

Gruß Alex
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #8
Hallo Ulli, da hast Du Dir ja was vorgenommen :-)
Ich hätte dazu auch ein paar Fragen - beschränke mich hier zunächst auf drei.
a) Wie sieht das fertige Endergebnis von 4.jpg aus? Hast Du da Bilder mit gleichen Einstellungen?
b) Die Kosten - (ich vermute, so etwas wird nicht separat vergossen), aber wenn, kannst Du in etwa beziffern, wie hoch der Kostenanteil für dieses Stück ausfällt (Zeitaufwand f. Zeichnung am Rechner, Verbrauchsmaterialien usw.) - natürlich ohne die nötige Software und die nötigen Maschinen?
c) Wie viele Stunden dauerte es (bei 4.jpg) vom ersten Entwurf bis zum fertigen Stück?
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #9
Bei diesem Beitrag geht es um ein anderes Projekt, Bereich 5, 6 und 7:

Ein lieb gewonnenes Schmuckstück hat in Folge von Materialunzulänglichkeiten sein Leben beendet und kann nicht mehr getragen werden. Obendrein handelt es sich auch noch um Modeschmuck. Die Trauer bei der Kundin ist groß.

Nun hat sie aber das Glück, einen Goldschmied angesprochen zu haben. Und schon läuft die Sache!

Wir habei zu allererst den beschädigten Glasstein gegen einen Onix ausgetauscht, der nach der Vorlage des alten Steins geschliffen wurde.

Dann haben wir den Ring nach dem Original als CAD konstruiert und gefräst, anschließend wurde das Modell in Sterlingsilber gegossen.

So, nun müssen wir die Teile fertig machen, dann wird der Bericht fortgesetzt.
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Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #10
Hallo Alex,

24000 ist absolut OK. Wenn Kugelkopffräser verwendet werden, erzielt man bessere Oberflächen. Ein Arbeitsgang für alles? Na ja, wenn die Zeit vorhanden ist… Bei einer Bahnbreite von, sagen wir mal 0,1 mm, die zu 50% überlappt, bleiben noch 5/100stel übrig. Schnitttiefe etwa 2/10tel mm – nun rechne mal. Viel tiefer kann man mit feinen Werkzeugen nicht rein sonst gibt es Bruch auch bei langsamem Vorschub.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #11
Hallo Mario,

den Verdacht hege ich insgeheim auch!

Zu A) weiß ich nicht. Das ist eine Fräsarbeit für einen Kollegen, dem Wolframletztes Jahr eine Artcam-Lizenz geliefert hat. Der hat öfter solche Dinge, die er aus Atcam zeichnet und sie zum Fräsen herbringt. Ich denke jedoch, dass ich mir ein Bild erbetteln kann. Allerdings ist das gute Dingen schon verunglückt. Geizig wie Goldschmiede nun mal sind, wollte er den Gusskopf abflexen. Dabei hat er nicht mit der Drehzahl unserer Mikros gerechnet und hat voll aufs Pedal getreten. Ergebnis: Die Trennscheibe hat sich verflüchtigt, der Rest steckt nun wohl in der Decke, das Mandrel hat sich um 90° verbogen und ist ihm leider über das Teil gerattert. Das hat sogar mir weh getan. Aber der Schaden hält sich in Grenzen und kann mit etwas Arbeit beseitigt werden. Ich halte Dich aber auf dem Laufenden.

Zu b) Doch separat. So was geht nicht einwandfrei mit andern Sachen zusammen, ich kann jedenfalls nicht. Der Kollege wollte einen fehlerfreien Guss, hat er auch bekommen. Die Zeichnung hat er ja selbst gemacht, ich schätze das mal auf etwa 6 bis sieben Stunden. Bei uns kostet eine CAD-Stunde 80 Euro, aber wir sind da ohnehin zu billig.

Was ich Dir genau sagen kann, betrifft den Guss. Das Teil hat ohne Material 50 Euro gekostet.

Zu c) wir haben den Datensatz bekommen, die Maschine brauchte für die Umsetzung 7 Stunden 45 Minuten. Macht 150 Euro fürs Fräsen. Was die Wachsplatte kostet, weiß ich nicht, da muss ich Wolfram fragen. Zum Rest werde ich den Kollegen befragen, der ist zwar mit Sicherheit im Umgang mit der Software nicht so weit wie Wolfram, aber er ist richtig gut. Ich weiß aber nicht welche Zeit er investieren musste. Ich frag aber.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #12
Hallo Alexdu

ich hab hier mal ein paar kleine HM-Fräser abgelichtet, der Hintergrund ist eine Millimeterskala. Der mit dem "Gewinde" drauf ist ein Kugelkopffräser, Durchmesser 0,127 mm, der gewendelte Pyramidenfräser ist ein Planstirn-Schaftfräser und hat ein Maß von 0,0254 mm.
Der macht dann auf einen Millimeter Breite so um die 85 Bahnen. Das ist natürlich nicht in jedem Fall angebracht, aber wer will/muss schon überall solche Genauigkeiten erzeugen!
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Information: Ich kriege das auf die Schnelle nicht besser vor die Linse, aber ich glaube, man sieht under dem Dreck auchnoch, um welch feine und empfindliche Fräser es sich handelt :)
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Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #13
Sodele,

hier habe ich nun das Bild des fertigen Onix-Ringes, als Nachfolger eines kaputten Modeschmuckringes. Das ist überhaupt so eine Sache, wir haben immer wieder mal Modeschmuck in Echt umgesetzt. Teilweise waren dies traumhafte Entwürfe, wo man sich wirklich die Frage stellen muss, warum so etwas überhaupt als Modeschmuck gefertigt wurde. Die Entwürfe sind allemale eine Ausführung in Gold oder Silber wert gewesen.

Um die Haltbarkeit des Steins, der ja nun etwas exponiert auf seinem Thron hockt, zu verbessern, haben wir din den hohlen Ringkörper eine haftende Epoxidhartz- Unterlage eingebracht, auf welcher der Stein bombenfest ruht. Die spärlichen Krappen dienen somit mehr der Dekoration des Steins.
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Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #14
Mario Sarto
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Mario Sarto

 ·  #15
Vielen Dank Ulli und Wolfram!
Ich habe - ganz grob über den dicken Daumen - gerechnet, so braucht es ca. 22 Stunden bis zum fertigen Stück (incl. Zeichnung, fräsen, brennen, vergießen und abschließende Arbeiten)?

Mit diesen sog. "Speed"-Einbettmassen könnte man sicher noch mal 6 Stunden abziehen, oder?
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