Hallo, zu "S" "F":
Glashütte i/Sachsen, den 16. Dezember 1895. Geehrter Herr Redakteur!
Im Sprechsaal der Nr. 24 Ihrer geschätzten Zeitung wendet sich Herr H. E. in Santiago de
Chile mit Recht gegen die Gepflogenheit mancher deutschen Fabrikanten, Bezeichnungen in
fremder Sprache auf ihren Erzeugnissen anzubringen. Wenn nun auch dies vielfach vom
Auslande so verlangt wird und der Fabrikant den Wünschen der Besteller Rechnung zu
tragen hat, so sind doch, mit e i n e r Ausnahme, in den angeführten Fällen aus der
Uhrmacherei mit Recht die betreffenden Fabrikanten zu tadeln. Der erwähnte Ausnahmefall
betrifft die Glashütter Taschenuhren.
Herr H. E. befindet sich nämlich im Irrthum, wenn er meint, dass in Glashütter
Taschenuhren jemals „Slow" und „Fast" eingravirt war; es wird ihn jedenfalls freuen zu
hören (und auch manchem anderen Kollegen zur Aufklärung dienen), dass die Buchstaben
„S" und „F" auf den Unruhkloben der Glashütter Uhren die Anfangsbuchstaben der gutdeutschen
Worte „ s p ä t " und „ f r ü h " sind (oder, wie wir scherzhafter Weise in Glashütte
sagen: „sachte" und „fix").
Man könnte ja auch die Bezeichnung „R" (rückwärts) und „V" (vorwärts) anwenden, ebenso
„nach" und ..vor", welch' letztere Bezeichnung Altmeister Moritz Grossmann schon vor
fünfundzwanzig Jahren anwandte bei Unruhkloben mit Rückerschraube, wo diese Worte über
und unter der Schraube standen. Die Worte „spät" und „früh" (richtiger: „später" und
„früher") bezeichnen dasselbe, haben jedoch den Vortheil, dass die Anfangsbuchstaben sich
mit denen der erwähnten englischen Worte decken, wodurch eine Einheitlichkeit und dadurch
wieder eine leichtere Verkäuflichkeit in englisch redenden Ländern erzielt wird. Der
Engländer wird die Buchstaben eben mit „slow" und „fast" übersetzen, und es ist ja bekannt,
dass der „Englishman" oft an solchen Kleinigkeiten hängt.
Hochachtungsvoll
G. L.
Deutsche Uhrmacher-Zeitung 1896 Nr. 1. S. 7
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