BASELWORLD 2012Mancher hat eben seinen ganz eigenen Krisenindikator: Der Chef eines kleinen badischen Uhrenherstellers und regelmäßiger Besucher der BASELWORLD weiß: „Wenn Sie in der Nähe der Messehallen einen Parkplatz bekommen, dann sieht es wirklich düster aus für die Branche“. Im Jahr 2009, im Zeichen der Finanz- und Bankenkrise, bekam er einen Parkplatz. In diesem Jahr empfiehlt es sich wohl eher, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, denn lange lief es nicht mehr so gut für die Uhrenbranche wie derzeit. Das Jahr 2011 markiert einen neuen Rekord.
Es war – nicht zuletzt dank der stark gestiegenen Nachfrage aus China – das vermutlich beste Uhrenjahr aller Zeiten. Und 2012 verlief bisher ebenfalls nach Maß. Der Genfer Uhrensalon SIHH hätte für die Hersteller erfolgreicher kaum sein können. Und auch die INHORGENTA Mitte Februar in München gab Anlass zur Zufriedenheit. Ein Optimismus, der sich auf der BASELWORLD noch einmal verstärken könnte.
Um es salopp zu formulieren: Uhren sind „in“, ganz unabhängig davon, ob sie als teure Wertanlage oder als günstiges Lifestyle-Produkt die Verbraucher überzeugen. Nach einer Statistik des Marktforschungsunternehmens GfK wurden in Deutschland im vergangenen Jahr elf Prozent mehr Uhren verkauft als 2010. Allein in den Wochen vor Weihnachten – zwischen Oktober und Dezember – stieg der Umsatz um 18 Prozent. Im Fachhandel gaben die Deutschen im Schnitt 282 Euro für einen neuen Zeitmesser aus.
Platzt die China-Blase?
Damit ist die Behauptung widerlegt, nur die sehr teuren Spitzenmodelle der renommierten Manufakturen in der Schweiz und in Glashütte profitierten vom aktuellen Uhrenboom. Tatsächlich verweisen Uhrenliebhaber und –sammler mit eher durchschnittlichem Budget auf die Kehrseite der hohen Nachfrage nach Spitzenprodukten der Haute Horlogerie: Die Preise für Zeitmesser bekannter Marken steigen ins Unermessliche. Wenn man manche Uhrenmagazine liest, gewinnt man den Eindruck, Preise von 40.000 Euro für eine Dreizeiger-Uhr aus Platin seien fast schon das Natürlichste der Welt. Sogar sechsstellige Preise werden goutiert. Ganz nach dem Motto: Wenn’s die Leute kaufen, wären die Hersteller dumm, wenn sie diese Preise nicht durchsetzten. Das mag kurzfristig zutreffen, erweist sich aber längerfristig als ziemlich riskant. Denn immer mehr Volkswirte warnen, dass der China-Boom auf tönernen Füßen steht. Bislang ist noch jede Blase irgendwann geplatzt, das wird in China nicht anders sein.
Chancen im mittleren Segment
Die zunehmend einseitige Ausrichtung mancher Luxus-Manufakturen auf den chinesischen Markt (es gibt Ausnahmen wie Patek Philippe) stellt eine sehr gute Chance für Hersteller im mittleren Preissegment dar, darunter viele mittelständische Betriebe in Deutschland. Selbst passionierte Uhrenliebhaber sind nämlich nicht bereit, für einen neuen Zeitmesser den Gegenwert eines Mittelklassewagens zu investieren. Müssen sie auch nicht, denn es gibt mittlerweile viele deutsche Qualitätsmarken, die mechanische Uhren mit Schweizer Werken für deutlich unter 1000 Euro anbieten. Lifestyle-Uhren für modebewusste Menschen sind noch günstiger zu haben.
Auf diese Weise können alle Segmente der Branche vom aktuellen Boom profitieren. Gute Voraussetzungen also, um auch die BASELWORLD 2012 mit zufriedenen Gesichtern zu beenden.
Was sind die Motive, die hinter der Anlage in Uhren stehen?
Ich unterscheide zwischen den klassischen Sachwertinvestments (Immobilien, Gold) und den Sweetheart-Investments, bei denen sich Sammelleidenschaft, Liebhaberei und die Hoffnung auf Werthaltigkeit und eventuell sogar Wertsteigerung verbinden. Das Hauptmotiv ist also die Affinität zu Uhren, die Faszination für die feine Mechanik und das Design. Hinzu kommt meist noch eine besondere Zeit-Philosophie: Zeit ist eine knappe Ressource, heißt es. Wenn dem so ist – und wer würde widersprechen? -, dann liegt es nahe, auch der Zeitmessung eine hohe Wertschätzung entgegenzubringen. Es gibt zahlreiche Beispiele für signifikante Wertsteigerungen bei Uhren, ich denke hier vor allem an gesuchte Modelle der Top-Marken Patek Philippe, Rolex und Lange & Söhne. Aber man sollte realistisch bleiben: Rund 80 Prozent selbst der teuren Uhren haben kein Wertsteigerungspotenzial.
Sind Uhreninvestments vor der Inflation geschützt?
Man sagt, eine Rolex sei die beste Versicherung auf Reisen. Denn Sie bekommen für eine Uhr dieser Marke garantiert fast in allen Gegenden der Erde genug Geld, um sich im Notfall zumindest das Rückflugticket finanzieren zu können. Das sagt schon vieles aus. Sachwerte – und dazu gehören Uhren – sind weit weniger von der Inflation tangiert als Geldwerte. Papiergeld ist im Extremfall wertloses Papier. Eine edle Uhr von einer großen Marke behält einen inneren Wert. Wem es aber allein um Inflationsschutz geht, dem würde ich eher zu Edelmetallen raten. Wie gesagt: Ein Uhren-Investment setzt Leidenschaft voraus.
Nach welchen Kriterien sollten als Investment gedachte Uhren ausgewählt werden?
Es sollten Uhren von bekannten Marken sein. Einige habe ich schon genannt. Zu ergänzen wären zum Beispiel Vacheron Constantin, Audemars Piguet, Jaeger LeCoultre, Breguet, Omega, IWC, aber auch die Kultmarke Panerai. Das sind sozusagen die „Blue chips“. Daneben gibt es gesuchte „Nebenwerte“, also Leckerbissen für Kenner. Hierzu würde ich in der Schweiz H. Moser, in Deutschland Dirk Dornblüth und in Österreich Habring² zählen. Wie sich die Zeitmesser dieser Marken preislich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Mir persönlich erscheinen sie aber aufgrund ihrer geringen Auflage und der uhrmacherischen Raffinesse sehr interessant. Apropos Raffinesse: Ein weiteres Kriterium sind die sogenannten Komplikationen einer Uhr, also die aufwändigen mechanischen Zusatzfunktionen. Das reicht vom Chronographen bis hin zum Ewigen Kalender und zum Tourbillon, der Krönung der Uhrmacherkunst. Auch Design-Klassiker sind gefragt, zum Beispiel die Rolex Submariner, die Tag Heuer Monaco oder die Navitimer von Breitling. Und schließlich gilt: Ein eigenes Manufakturwerk ist immer gefragter als ein Uhrwerk „von der Stange“.
Sind limitierte Editionen ein Garant für Wertsteigerung?
Kann, muss aber nicht sein. Manche Hersteller limitieren ihre Uhren, weil sie insgeheim befürchten, dass sie von einem bestimmten Modell mehr nicht verkaufen können. Da wird aus der Not eine Tugend gemacht. Aber klar ist natürlich auch: Wenn von einem gesuchten Klassiker nur noch wenige Exemplare vorhanden sind, erzielen diese auf Auktionen oft Top-Preise in sechs-, mitunter sogar siebenstelliger Größenordnung.
Buchtipp:
Uhren als Kapitalanlage von Michael Brückner, aktualisierte und erweiterte Neuauflage, Februar 2012, Finanzbuchverlag München, 304 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 36 Euro.
Archivbeitrag 08.03.2012