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Tutima Uhrenfabrik, Ganderkesee und Glashütte | Fliegeruhren - zwischen Tradition und Eurofighter

Nahezu alle Uhrenhersteller haben Zeitmesser im Fliegerdesign in ihren Kollektionen. Nur wenige davon können aber auf eine wirkliche Tradition als Fliegeruhrenproduzenten verweisen, und die wenigsten dürfen von sich behaupten, dass ihre Zeitmesser am Handgelenk der vielleicht besten Piloten der Welt ticken. Irgendwann wurde Tutima, ein Uhrenbauer mit einer ebenso bewegten wie facettenreichen Historie, auf Sean D. Tucker aufmerksam. Er gilt als US-amerikanische Kunstflug-Legende und wurde im Jahr 2008 in die "National Aviation Hall of Fame" gewählt.

Über 24.000 Flugstunden kann der Amerikaner vorweisen. Über tausendmal trat er in über 400 Airshows auf. Der deutsche Uhrenhersteller gewann den Top-Piloten als Partner für seine Tutima Academy of Aviation Safety, einer weltweit führenden Schule für Präzisionsflug-Training in Kalifornien. Eigentlich Ehrensache, dass Sean D. Tucker nun Fliegeruhren von Tutima trägt, oder? Jörg Delecate antwortet mit einem bescheidenen Lächeln: "Er trug sogar schon vor unserer Zusammenarbeit eine Tutima, nachdem er zuvor viele andere Fliegeruhren getestet hatte, aber offenbar mit keiner so recht zufrieden war". Und der Tutima-Geschäftsführer fügt selbstbewusst hinzu: "Wir sprechen nicht nur über Fliegeruhren, sondern wir können eine authentische Geschichte liefern".

Diese Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1927 - und wie so häufig legte nicht etwa ein mutiger Uhrmachermeister den Grundstein für das Unternehmen, sondern ein Branchenfremder. Zum Jahreswechsel 1926/27 hob der damals erst 27jährige Jurist Dr. Ernst Kurtz im sächsischen Glashütte die Firmengruppe Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG (UROFA) und UFAG (Uhrenfabrik Glashütte AG) aus der Taufe, deren Premiumprodukte unter dem Namen Tutima auf den Markt kamen. Nomen est omen, schließlich leitet sich diese Signatur vom lateinischen Begriff "tutus, tutissima" ab, was soviel heißt wie sicher oder geschützt. Zunächst fertigte die Firmengruppe feine Taschenuhren, doch Dr. Kurtz schien zu ahnen, dass es an der Zeit war, den Kunden hochwertige Alternativen zu bieten. Fortan konzentrierte sich das Team um Dr. Kurtz auf die Entwicklung und Produktion eigener Armbanduhr-Kaliber. Und natürlich sollten die Spitzenqualitäten wieder den anspruchsvollen Markennamen Tutima tragen. "Tatsächlich haben Dr. Kurtz und seine Mitarbeiter seinerzeit die erste Armbanduhr aus Glashütte auf den Markt gebracht", berichtet Jörg Delecate aus der Unternehmensgeschichte. Mehr noch: Wahrscheinlich hat Dr. Ernst Kurtz, der aus Norddeutschland nach Sachsen gekommen war, sogar die Glashütter Uhrenindustrie gerettet, die nach dem Ersten Weltkrieg und der folgenden wirtschaftlichen Depression in eine existenzbedrohende Krise geriet.

Zeitsprung: Im Mai 2011 machte Tutima in Glashütte, wo längst wieder viele der ersten Adressen unter den Uhrenmanufakturen vertreten sind, erneut von sich reden: Die Tutima Uhrenfabrik präsentierte nach dreijähriger Vorbereitungszeit ihr auf insgesamt 25 Exemplare limitiertes Flaggschiff "Hommage" - eine Handaufzug-Uhr mit Minutenrepetition, also einer der aufwändigsten Komplikationen. Der Name der Uhr kommt nicht von ungefähr: "Sie ist eine Hommage an Glashütte", sagt Jörg Delecate. Hauptsitz des Unternehmens soll aber weiterhin Ganderkesee in der Nähe von Bremen bleiben.

Die Geburtsstunde eines Klassikers

Zwischen dem Aufbruch in Glashütte in den 1920er Jahren und dem Neubeginn am historischen Standort in Sachsen lagen wechselvolle Dekaden, geprägt von Kriegen, Krisen und politischen Wirren. Die Firmenhistorie von Tutima, sie ist allemal ein Stück Zeitgeschichte - und dadurch umso spannender. Dank des jahrelangen Know-hows in der Produktion von hochwertigen Armbanduhr-Kalibern gelang der Firmengruppe UROFA-UFAG Ende der 1930er Jahre die Entwicklung eines außergewöhnlichen Zeitmessers, der bis heute als der Klassiker des Unternehmens schlechthin gilt. Unter der Leitung von Dr. Ernst Kurtz kreierte das Team in Glashütte einen Zwei-Drücker-Chronographen mit dem aufwändigen UROFA Kaliber 59. Klarer Fall: Ein solches Meisterstück musste natürlich den Premiumnamen Tutima tragen. Immerhin handelte es sich um den ersten deutschen Chronographen mit Additionsstoppung und Schnellstoppvorrichtung. Heute bezeichnet man diese Komplikation als "Flyback-Funktion". Das war die Geburtsstunde des legendären Tutima-Fliegerchronographen, der - in behutsam modifiziertem Design und mit zeitgenössischen Schweizer Kalibern - bis heute in der Kollektion des Herstellers eine führende Rolle spielt. "Wer möchte, kann aber auch eine Replika des großen Vorbildes erwerben - den Fliegerchronographen Classic mit einem Handaufzugwerk von Valjoux (Kaliber 7760) und einem der damaligen Zeit entsprechenden eher moderaten Durchmesser von 38,5 Millimetern", erläutert Jörg Delecate.

Wer in alten Dokumenten und Fachbüchern stöbert, stößt immer wieder auf Fotos, die diesen legendären Fliegerchrono an den Handgelenken von Piloten und Luftwaffenoffizieren zeigen. Rund 30.000 Exemplare dieses Zeitmessers verließen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Werkstätten in Glashütte.

Im Mai 1945 kam es erneut zu einer tiefen Zäsur für die Uhrenindustrie in Sachsen. Russische Kampfflugzeuge tauchten über dem Städtchen im Müglitztal auf. Kurz darauf wurde das Zentrum der sächsischen Uhrmacherkunst von russischen Truppen eingenommen. Auch für die Firmengruppe UROFA-UFAG und die Premiummarke Tutima bedeutete dies zunächst einmal das Ende, zumal in der Nachkriegszeit den Menschen nicht unbedingt der Sinn nach Uhren stand. Allerdings war sich Dr. Ernst Kurtz darüber im Klaren, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein gewisser Nachholbedarf bestehen und Qualität immer gefragt sein würde. Mit dem ihm eigenen Pioniergeist und gemeinsam mit einigen ehemaligen Mitarbeitern aus Glashütte begann er nach Kriegsende im unterfränkischen Memmelsdorf erneut mit der Uhrenproduktion. Bereits wenige Monate nach der Währungsreform im Westen Deutschlands und mitten im politisch turbulenten Jahr 1949, als die Menschen wegen der sich dramatisch zuspitzenden Berlin-Krise einmal mehr den Atem anhielten, weil schon wieder Krieg in der Luft lag, in diesen schwierigen Zeiten also präsentierten Dr. Kurtz und seine Mitarbeiter das feine 11 ½-linige Kaliber Kurtz 25. Es überraschte die Kenner mit einer Breguetspirale, chatonierten Lagersteinen und einer Stoßsicherung. Die Uhren kamen mit der Signatur "Kurtz - Glashütter Tradition" auf den Markt.

Neubeginn in Niedersachsen

Realistischerweise jedoch konnten Kurtz und seine Mitarbeiter nicht damit rechnen, in den kommenden Jahren nach Glashütte zurückkehren und dort die Produktion wieder aufnehmen zu können. Deutschland war geteilt - und dabei sollte es mehrere Jahrzehnte bleiben. Den gebürtigen Unternehmer Dr. Kurtz zog es wieder in seine frühere Heimat nach Norddeutschland. Im niedersächsischen Ganderkesee begannen er und seine Mitarbeiter 1951 mit der Produktion von Rohwerken und Uhren. Ein wichtiger Schritt zu einer Renaissance der Traditionsmarke Tutima. Unter dem Namen "Nurofa - Norddeutsche Uhrenrohwerkefabrik" reüssierte auch das neue Unternehmen. In den Jahren 1958/59 wurden in Ganderkesee nicht weniger als 70.000 Rohwerke des Kalibers 570 hergestellt. Die Zeitmesser mit diesem Kaliber wurden fortan von der Firma "Tutima Uhren" vertrieben. Ein bewährter Markenname feierte ein fulminantes Comeback. In der Tradition des Tutima-Gründers schrieb ein junger Unternehmer und früherer Mitarbeiter von Dr. Kurtz die Erfolgsgeschichte fort - Dieter Delecate, bis heute Seniorchef des Unternehmens. Zusammen mit seinen Kindern Jörg und Ute entwickelte er den Uhrenhersteller zu einer mittlerweile weltweit operierenden Firmengruppe fort.

Tradition bedeutete aber nicht nur das Festhalten an Glashütter Qualitätsmaßstäben, auch wenn man mittlerweile Schweizer Werke in die Tutima-Uhren einbaute. Es lag vielmehr nahe, das Know-how und die Reputation, die sich das Unternehmen als Hersteller von Fliegeruhren erworben hatte, gezielt zu nutzen und neue hochpräzise Instrumentenuhren zu schaffen. Anlass dazu bot eine Ausschreibung der Bundeswehr in den 1980er Jahren. Die Armee wünschte eine offizielle Dienstuhr für ihre Luftwaffenpiloten. "Eine solche Ausschreibung stellt einen Uhrmacher natürlich vor Herausforderungen der ganz besonderen Art. Schließlich ist eine solche Pilotenuhr oft extremen Situationen ausgesetzt", weiß Jörg Delecate. Am Ende der Entwicklungsphase stand der neue Tutima Military Chronograph, mit dem das Unternehmen an seine große Tradition als Hersteller technisch hochwertiger Fliegeruhren anknüpfte. Bis heute zählt dieser Zeitmesser mit seinem unverwechselbaren Design zu den Flaggschiffen von Tutima. Mit einem Preis von knapp 4.000 Euro ist dieser Chrono in der Spitze der Kollektion angesiedelt.

Wenn Uhrenkenner über diesen Fliegerchrono sprechen, dann kommen ihnen vor allem zwei Besonderheiten in den Sinn: Zum einen tickt in dieser Uhr das legendäre Kaliber Lemania 5100. Der 1884 in der Schweiz gegründete und mittlerweile zur Swatch-Group gehörende Werkehersteller steht bei Uhrenfreunden hoch im Kurs. Lemania-Werke haben sich unter extremsten Bedingungen immer wieder bewährt. Das Kaliber 2310 sorgte zum Beispiel dafür, dass eine Omega am Handgelenk des Astronauten Neil Armstrong sogar auf dem Mond verlässlich tickte. Das Kaliber 5100, das in die Tutima-Luftwaffenuhr eingebaut wird, gilt als einer der Klassiker unter den Chronographenwerken.

Die zweite Besonderheit des Tutima Military Chrono erkennt man erst beim genauen Hinschauen. Die für Chronographen typischen Drücker scheinen zu fehlen. Tatsächlich wird diese Uhr mit großflächigen, in das Gehäuse weitgehend integrierten Tasten ausgestattet, mit denen sich die Chronographenfunktion starten, unterbrechen und beenden lässt. "Auch mit Handschuhen lassen sich diese Tasten schnell und präzise bedienen", erläutert Jörg Delecate. Aus Sicherheitsgründen wurden überdies alle Ecken und Kanten des Uhrengehäuses stark abgerundet. Mittlerweile ist der Tutima Military Chronograph die offizielle Uhr für NATO-Piloten.

Sondermodell für den Eurofighter Typhoon

Den klassischen Fliegerchronographen, der die Tradition der in den 1930er Jahren entwickelten Uhr fortsetzt, gibt es in zahlreichen Varianten. Eines der Highlights dürfte freilich die F2 UTC Eurofighter Typhoon sein. Bei der Konzeption dieses in limitierter Auflage auf den Markt gebrachten Modells flossen Anregungen von Eurofighter-Piloten direkt ein. Der nach zwei Jahrzehnten Entwicklungszeit in Dienst gestellte Eurofighter Typhoon, an dem Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien beteiligt sind, gehört zu den weltweit modernsten und vielseitigsten Mehrzweck-Kampfflugzeugen. Sein Leistungsprofil dürfte sogar Zeitgenossen ohne Affinität zur Fliegerei ein anerkennendes Staunen abverlangen: Der Eurofighter braucht vom Start bis zur Erreichung der eineinhalbfachen Schallgeschwindigkeit (Mach 1,5) in über 10.000 Metern Höhe gerade einmal 150 Sekunden. In optimaler Flughöhe erreicht er mehr als die zweifacher Schallgeschwindigkeit. Zur Erinnerung: Schallwellen legen pro Stunde rund 1.235 Kilometer zurück.

Im F2 UTC Eurofighter Typhoon tickt eine Spezialausführung des bekannten Schweizer Kalibers Valjoux 7750. Dank eines zweiten zentralen Stundenzeigers lässt sich eine zweite Zeitzone bequem ablesen. Charakteristisch bei dieser Uhr sind das Eurofighter-Emblem auf dem Zifferblatt und die Silhouette im Saphirglasboden.

Der Eurofighter Typhoon Chronograph gehört zur Familie der klassischen Tutima-Fliegerchronographen, die sowohl mit Handaufzug-Werk (modifiziertes Valjoux-Kaliber 7760) als auch mit Automatik-Werk (Valjoux 7750 und 7754) sowie mit unterschiedlichsten Bändern erhältlich sind. Sogar in 18karätigem Gold gibt es diesen Fliegerchrono. Der Gehäuse-Durchmesser beträgt in dieser Modellreihe 38,5 Millimeter, wodurch diese Zeitmesser zwar sportlich-markant, aber dennoch ein wenig zurückhaltend wirken. Die Preise reichen von knapp 1.800 bis 2.670 Euro. Die Gold-Varianten sind naturgemäß deutlich teurer.Black Beauty - der Grand Classic Chrono von Tutima

Für Freunde von größeren Uhren könnte die Grand Classic-Reihe interessant erscheinen - eine Edition, die zum 80jährigen Tutima-Jubiläum und als Hommage an die Fliegerchrono-Legende aufgelegt wurde. Diese Zeitmesser, die wie ihr klassisches Vorbild eine kannelierte Drehlünette mit rotem Markierungspunkt aufweisen, haben einen Durchmesser von 43 Millimetern und kommen dem seit Jahren anhaltenden Trend hin zur Größe entgegen. Die Grand Classic gibt es sowohl als Automatikuhr mit Daydate-Anzeige (Kaliber ETA 2836-2) als auch mit Chronographen-Funktion und weiteren Komplikationen, wie etwa einer Gangreserveanzeige. Besonders gelungen erscheint die Grand Classic Havanna mit braunem Zifferblatt und 24-Stunden-Zeitzone. Wer mit einer Grand Classic Größe zeigen möchte, muss zwischen 880 und 2.270 Euro investieren. Das limitierte Sondermodell Grand Classic Alpha aus Rotgold und Keramik kostete im Jahr 2011 knapp 12.000 Euro. Neu in der Kollektion sind die Modelle Grand Classic Black in Gehäusen aus gehärtetem und anschließend PVD-beschichtetem schwarzen Edelstahl. Dieses Modell gibt es als Automatik- und Chronographen-Variante zu Preisen zwischen knapp 1.100 Euro und rund 2.400 Euro.

 

Yachting-Chronograph - für Freunde des Wassersports

Obgleich die Fliegerei für Tutima nach wie vor eine wichtige Rolle spielt und unverkennbar einen Schwerpunkt in der Kollektion setzt, wendet sich der Hersteller gleichermaßen an die Freunde des Wassersports. Flaggschiff ist dabei der Yachting-Chronograph, der ebenso wie das Modell Military mit integrierten Tastendrückern ausgestattet wurde und über 4.000 Euro kostet. Deutlich günstiger sind die Automatikmodelle DI 300 und Pacific 300 zu haben (zwischen 890 und knapp 1.000 Euro). Die klassisch-eleganten Modellreihen FX und FX Valeo (mit Großdatum) bilden zwar einen eher ruhigen Kontrast zu den Sportmodellen, lassen aber eine ähnliche Design-Sprache erkennen. Für diese Uhren sollte der Interessent zwischen 740 und rund 2.500 Euro einkalkulieren. Die FX Valeo Reserve Gold ist für rund 8.000 Euro zu haben.

Und welche Modelle sollen künftig am neuen, alten Standort Glashütte entstehen? Die erwähnte Minutenrepetition dürfte wohl kaum die Richtung vorgeben, denn mit Preisen zwischen 168.000 und 179.000 Euro ist diese limitierte Handaufzug-Uhr sicher nur für die solventesten Freunde edelster Zeitmesser erschwinglich. Tatsächlich sollen die Tutima-Uhren aus Glashütte preislich etwa auf einem vergleichbaren Niveau liegen wie die in Ganderkesee gefertigten Modelle. "Die von Meisteruhrmacher Rolf Lang und einem handverlesenen Team entwickelte Minuten-Repetition ist nicht zuletzt eine Verneigung vor dem im April 1996 verstorbenen Firmengründer Dr. Ernst Kurtz. Er betrachtete seine Nachkriegs-Karriere im Westen immer als eine Zeit im Exil", erläutert Jörg Delecate. Immerhin - seine Philosophie, sein Streben nach Präzision und Qualität sind unter dem traditionsreichen Namen Tutima nach Glashütte zurückgekehrt.

Michael Brückner

Archivbeitrag 14.07.2011
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