Üblicherweise sind Tourbillons winzige filigrane Kunstwerke, die eigentlich nur unter der Uhrmacherlupe so richtig zur Geltung kommen. Bei Matthias B. Fuchs ist das anders. Der junge Uhrmachermeister aus Ofterschwang in der Nähe von Oberstdorf im Allgäu greift beherzt in das Zifferblatt einer Großuhr - und holt ein Tourbillon, so groß wie eine Faust, heraus. Er reicht das Meisterwerk an seinen Besucher weiter, der zwar schon zahlreiche Tourbillon-Uhren, aber noch nie ein in Gang befindliches Tourbillon in dieser Größe in seinen Händen hielt. Dafür sind die in Armband- oder Taschenuhren verbauten "Wirbelwinde" viel zu winzig.
Fasziniert schaut Fuchs auf dieses Tourbillion im XXL-Format. "Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber das kontinuierliche beruhigende Drehen und Schwingen der sichtbaren Mechanik lassen mein Auge nicht mehr los". Wir können ihm da nur zustimmen. Die Faszination eines Tourbillons - nirgendwo ist sie offensichtlicher als hier.
Wir besuchen Uhrmachermeister Matthias B. Fuchs in seinem kleinen Atelier im Allgäu. Er wurde in Heidelberg geboren, besuchte die Uhrmacherschule in Schwenningen und war dann für einige der ersten Adressen der Schweizer Haute Horlogerie tätig. Später zog seine Familie nach Oberstdorf. So kam Fuchs in das etwas versteckt gelegene Ofterschwang, wo er - inzwischen selbstständig - ein Unternehmen zur Konstruktion und Analyse, sowie zur Wartung und Reparatur wertvoller Zeitmesser gründete. Aber wie kommt einer wie er auf die Idee, Tourbillons zu bauen? Noch dazu für Großuhren. Für eine Standuhr mit Tourbillon muss der Liebhaber schon mal einen hohen fünfstelligen, wenn nicht gar sechsstelligen Betrag investieren. Doch der Reihe nach.
Jeder Uhrenfreund weiß: Ein Tourbillon ist gleichsam die Hohe Schule der Uhrmacherei. Erfunden wurde dieser "Wirbelwind" (denn nichts anderes heißt das französische Wort "Tourbillon" übersetzt), vom Altmeister Abraham Louis Breguet (1747-1823), dem wir unter anderem auch die Breguet-Spirale zu verdanken haben. Zunächst diente das Tourbillon dazu, Lageveränderungen in edlen Taschenuhren aufzuheben und dadurch ihre Ganggenauigkeit zu optimieren. Beim klassischen Tourbillon werden das Ankerrad, der Anker und die Unruh in einen kleinen Käfig eingebaut. Das Drehgestell wird mit dem Sekundentrieb der Uhr verbunden. Das heißt, dreht sich das Sekundentrieb, macht das Tourbillon diese Bewegung mit, da sich das Ankerradtrieb am Sekundenrad abwälzen muss. Drehgestelle drehen sich meist einmal pro Minute. Lagen- oder Schwerpunktfehler werden dadurch ausgeglichen.
Heute sind Armbanduhren mit Tourbillons vor allem als High-End-Erzeugnisse im Sortiment der führenden Luxusuhren-Hersteller zu finden. Auf der Baselworld, der weltweit führenden Uhren- und Schmuckmesse, standen Armbanduhren mit Tourbillons in den vergangenen Jahren besonders hoch im Kurs. Trotz (oder für manchen vielleicht gerade wegen) ihrer hohen Preise. Auch bei den Uhrenauktionen der führenden Häuser erzielen Zeitmesser mit dem winzigen "Wirbelwind" in aller Regel Top-Preise.
Zurück zu Matthias B. Fuchs: Zu Beginn seiner Karriere arbeitete er zunächst bei IWC und später bei H. Moser & Cie., dem zweiten bekannten Luxusuhren-Hersteller im schweizerischen Schaffhausen. Später stellte er seine Expertise auch anderen bekannten Herstellern zur Verfügung und machte - nicht immer zur Freude der oft vor allem betriebswirtschaftlich denkenden Chefs - so manche Schwachstellen aus.
Eigentlich wäre das ein guter Start in eine vielversprechende Karriere gewesen. Engagierte Uhrmachermeister werden von den großen Herstellern und Manufakturen in der Schweiz oder im sächsischen Glashütte gesucht und entsprechend bezahlt. Der junge Uhrmachermeister Fuchs indessen hatte andere Pläne. "Außergewöhnliche Uhren zu zu konstruieren und zu realisieren, war schon mein Kindheitstraum", erzählt er uns.
Bei den großen Luxus-Uhrenherstellern ist das nur bedingt möglich, denn die bringen zwar außergewöhnliche Uhren auf den Markt, aber zum Großteil eben in der Masse. Diese Stückzahlen sind nur dann zu erreichen, wenn die Herstellung gewissen Standards folgt. Das war nicht das Ding von Matthias B. Fuchs. Er wollte individuelle Zeitmesser konstruieren. Den Grundstein hierzu legte er mit der Gründung seiner Uhrenwerkstatt in Ofterschwang. Im Mittelpunkt standen zunächst die Wartung und Reparatur alter Zeitmesser. Wer ihn in seinem Atelier besucht und sich umschaut, stellt schnell fest, dass er auch heute noch vor allem so eine Art "Uhrendoktor" für wertvoller Zeitmesser ist. Doch so idyllisch die Umgebung von Ofterschwang anmuten mag und so inspirierend sie sicher auf einen kreativen Uhrmachermeister wie Fuchs wirkt, die Zahl der potenziellen Kunden hält sich in dieser ländlich geprägten Region in Grenzen. Dadurch bleibt genug Zeit, um über neue Projekte nachzudenken.
So entstand die Idee zu seinem neuen "Fubillon". Der Name setzt sich zusammen aus "Fuchs" und "Tourbillon". Das von Fuchs konstruierte, faustgroße Meisterwerk soll in wertvolle, hochpräzise Tisch- oder Wanduhren eingebaut und limitiert werden. Als wir uns mit Matthias B. Fuchs treffen, verhandelt er gerade mit einem führenden Hersteller von Großuhren.
Erstaunlich bleibt es immerhin, dass bisher kein anderer auf die Idee kam, ein herausnehmbares Tourbillon in eine Großuhr zu bauen. Wahrscheinlich dächten die entsprechenden Hersteller oftmals einfach zu kaufmännisch, mutmaßt Fuchs.
Wer sich für ein "Fubillon" entscheidet, wird während des Herstellungsprozesses ständig auf dem Laufenden gehalten. "Ich informiere die Käufer kontinuierlich über die Bauphase ihres ‚Fubillon' per E-Mail oder Videos", sagt Fuchs. Und auch nach der Fertigstellung dieses ganz besonderen Drei-Achs-Tourbillons haben die Kunden noch Einfluss auf die Optik der Uhr. Zifferblatt, Zeigerform und die Gehäusegestaltung der Großuhr werden auf Wunsch dem geplanten Standort der Uhr gerecht. Ein Designer und ein Innenarchitekt beraten hinsichtlich dieser Bauwerkskomponenten individuell. Und wie steht es mit dem Service? "Kein Problem", verspricht Fuchs. "Selbst wenn der Kunde in Hamburg oder weiter entfernt wohnen würde, fahre ich hin, falls dies erforderlich sein sollte".
Unterdessen schauen wir immer noch fasziniert dem Drehen und Schwingen des Tourbillons zu, den Fuchs aus einer Großuhr herausgenommen hat. "Ein Tourbillon in dieser Größe birgt übrigens Vorteile in puncto Qualitätssicherung", sagt Fuchs. "Die winzigen Tourbillons in Taschen- oder Armbanduhren sind filigrane Meisterwerke, keine Frage. Aber bei einem so großen Tourbillon sehen Sie sehr schnell, ob die Zulieferer wirklich mit der erforderlichen Oberflächenqualität und Präzision gearbeitet haben".
Dass es trotz des hohen Preises Kunden für Großuhren mit dem "Fubillon" gibt, daran hat Matthias B. Fuchs keine Zweifel. Schließlich sei eine solche Uhr nicht nur ein Leckerbissen für Uhren-Liebhaber, sondern aufgrund der strengen Limitierung auch eine besonders faszinierende Art der Geldanlage.
Michael Brückner
Archivbeitrag 20.03.2017