Artikel Übersicht
Sie befinden sich im Benutzerbereich unseres Archivs.

Markenporträt Marcello C | Was die Marke mit dem Vogel beflügelt

Das Städtchen Würselen liegt in der Nähe von Aachen im Dreiländereck, Belgien und die Niederlande sind nur noch den sprichwörtlichen Katzensprung entfernt. Die Luciastraße ist so, wie die gesamte Kommune - eher überschaubar und unspektakulär. Sogar freie Parkplätze sind dort in der Regel verfügbar. Am Eingang zum Gebäude mit der Hausnummer 19 steht unauffällig: "Marcello C., Uhrenbauer". Das klingt schon ein wenig nach Understatement.

Wir sind zu Besuch bei Marcell Kainz, Gründer und Inhaber des Uhrenherstellers Marcello C., der es in wenigen Jahren schaffte, mit seinen markanten Zeitmessern auf den wichtigsten internationalen Märkten ebenso präsent zu sein wie in den einschlägigen Uhrenmagazinen. In den Internetforen wird über seine Produkte seit Jahren leidenschaftlich diskutiert. Die einen würdigen das attraktive Preis-Leistungs-Verhältnis dieser Uhren und die auch von Skeptikern unbestrittene Qualität, die anderen fühlen sich zumindest bei der Modellreihe "Nettuno" von Marcello C. zu sehr an ein Produkt des größten Herstellers von Schweizer Nobeltickern erinnert. Mittlerweile bietet das Unternehmen jedoch eine sehr facettenreiche Modellpalette mit einer individuellen Designsprache an. Jüngstes Beispiel hierfür ist die markante Taucheruhr Hydrox.

Freunde der vergleichsweise jungen Marke verweisen zudem auf die hohe Verarbeitungsgüte und schwärmen von der Qualität des verschraubten Edelstahlbandes. Klar, Uhren wecken immer Emotionen. Davon lebt die Branche im Übrigen nicht schlecht. Aber am Ende entscheidet ein emotionsloser Schiedsrichter - nämlich der Markt. Was die "Nettuno" von Marcello C. angeht, hat er ein klares Urteil gesprochen: Dieses Modell ist nicht nur der Bestseller in der Kollektion des Uhrenbauers aus Würselen, darüber hinaus wurde dieser Zeitmesser schon mehrfach ausgezeichnet. So erhielt die "Nettuno" im Jahr 2003 die Goldene Unruh für Uhren in der Kategorie bis 500 Euro. Als Juroren fungierten die Leser von "Uhren Magazin" und "Focus Online". Die mit einem Durchmesser von 43,6 Millimetern etwas voluminösere und bis 1000 Meter wasserdichte Taucheruhr "Tridente" schaffte es im Jahr 2004 immerhin auf den sechsten Platz in diesem Wettbewerb um die Gunst der Leser.

Wie eine Leidenschaft zur Profession wurde

Für Marcell Kainz war seine "kleine Uhrenfirma" die Erfüllung eines Lebenstraums. Eine Leidenschaft wurde zur Profession, wie so oft in dieser Branche. Heute führt der Unternehmer ausschließlich mechanische Uhren in seiner Kollektion. Zu Beginn seiner Karriere arbeitete er freiberuflich für ein Unternehmen, das vor allem Quarzuhren in großen Stückzahlen vertrieb. Doch dann, irgendwo in Österreich, entdeckte Marcell Kainz eines Tages Uhren der Schweizer Marke Oris. Heute für jeden Uhrenfreund ein fester Begriff, war diese Marke damals in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Kurz entschlossen nahm Kainz Kontakt mit dem Vertriebsunternehmen auf - und schon nach sechs Wochen kam man ins Geschäft. "Ich muss zugeben, ich hatte damals kaum Ahnung von mechanischen Uhren. Ich kannte gerade einmal den Unterschied zwischen Quarz- und Mechanikwerken, aber all die Details, die faszinierenden Feinheiten, die eine mechanische Uhr ausmachen, waren mir seinerzeit nicht bekannt". Marcell Kainz spürte sowohl den besonderen Reiz als auch die geschäftlichen Chancen, die in diesen Zeitmessern steckten. Zweieinhalb Jahre vertrieb er Uhren der Marke Oris und lernte nach eigenen Worten in dieser Zeit alles über die unterschiedlichen mechanischen Werke und deren Geschichte. Aber er sammelte natürlich gleichermaßen Erfahrungen mit den in dieser Branche gängigen Usancen.

Eine Krankheit stoppte dann die Karriere von Marcell Kainz jäh. Gleich mehrere Wochen war er arbeitsunfähig. Als es dann mit der Gesundheit wieder aufwärts ging, hatte er seinen Job als freier Mitarbeiter verloren. Dass in jeder Krise eine Chance schlummert, gilt zwar weithin als abgegriffener Allgemeinplatz, doch häufig wird diese motivierende Lebensweisheit auf sehr beeindruckende Weise bestätigt. Marcell Kainz kannte die Branche, wusste, wo viele der bekannten Schweizer Hersteller ihre Uhren zusammenbauen ließen. Und so kam es zum ersten Paukenschlag: Kainz präsentierte eine Private Label-Uhr mit seinem Namen für den fast schon sensationell günstigen Preis von damals 250 D-Mark. Die gleiche Uhr kostete bei einem bekannten Schweizer Hersteller etwa 650 D-Mark. Kainz ließ von diesen Zeitmessern fünf Variationen mit unterschiedlichen Zifferblättern herstellen und reiste durch Deutschland, um die Juweliere von seinem preiswerten Angebot zu überzeugen. "Der Preis war gut - und so stellten sich schnell die ersten Erfolge ein", erinnert sich Kainz. Auf diese Weise wurde im April 1993 der Grundstein für das heutige Unternehmen gelegt. Der erste Katalog kam auf den Markt, gleichzeitig begann Kainz mit dem Aufbau eines Außendienstes. "Heute haben wir in Deutschland vier Handelsvertreter. Außerdem unterhalten wir Vertretungen in Großbritannien, Österreich, Italien, der Schweiz, Dänemark, USA und Abu Dhabi", berichtet der Unternehmer.

Die erste komplett eigenständige Kollektion

Schnell wurde allen Beteiligten klar, dass sich ein erfolgreicher David dauerhaft gegen die etablierten Goliaths der Branche nur mit einem hohen Maß an Qualität würde behaupten können. "Unsere Private Label-Uhren waren gut, aber noch nicht so optimal, wie ich mir das gewünscht hatte, vor allem, was die Feinregulage angeht. Das war für uns Grund genug, ab dem Jahr 1999 eigenständige Uhren zu bauen. Wir lassen seither nach unseren Design- und Entwicklungsvorgaben Komponenten fertigen, die allesamt hier von unseren aktuell sieben Uhrmachern zusammengebaut werden". Das neue Jahrtausend begann für Marcello C. mit der Lancierung der Millennium-Modelle, drei Jahre später präsentierte das Unternehmen seine erste komplett eigenständige Kollektion.

"Unsere Geschäftsidee erscheint im Rückblick genial einfach. Wir wollten eine preiswerte mechanische Uhr anbieten, die sich durch ein modernes Design auszeichnet". Die Preisskala reicht im Bereich der Herren-Armbanduhren von knapp 600 Euro ("Nettuno 3") bis rund 1.650 Euro für den Chronographen aus der Modellreihe "Tridente". Keine Frage, die Kunden dieser Marke sind preissensibel. Das spürte Marcello C. zum Beispiel, als der Hersteller mit dem Chronographen "Senatore" eine Uhr mit einem Valjoux-Automatik-Kaliber 7750 Tricompax auf den Markt brachte. Dieses Werk erlaubt eine V-förmige Anordnung der Hilfszifferblätter, was zwar einerseits sehr ästhetisch wirkt und wieder an große Vorbilder erinnert, andererseits aber die Uhr beträchtlich verteuert. Der "Senatore" Chrono mit dem Tricompax-Kaliber kostete knapp 2.000 Euro. "Dort verläuft für die Kunden offenkundig eine Art ‚Schmerzgrenze'", weiß Marcell Kainz. Seither tickt in diesem Zeitmesser das bewährte konventionelle Valjoux-Kaliber 7750, und die Hilfszifferblätter sind bei 12-, 6- und 9-Uhr angeordnet, während bei 3-Uhr durch zwei Fenster der Tag und das Datum ablesbar sind. "Dadurch können wir diese Uhr wieder für einen Preis unter 1.500 Euro anbieten, was sich zeitnah bei den Verkaufszahlen bemerkbar machte". Die günstigen Preise, besonders für den Bestseller "Nettuno 3" könne man nur dank hoher Stückzahlen halten, erläutert der Unternehmer.

Wer möchte und über die entsprechende Liquidität verfügt, kann allerdings auch Marcello C.-Uhren für fünfstellige Preise erstehen - dafür erhält er Goldmodelle, teilweise mit Diamantenbesatz. "Davon stellen wir im Jahr nur 40 bis 50 Stück her, was aber für uns schon eine interessante Größe ist", sagt Kainz.

Im Inneren der Marcello C.-Uhren ticken bewährte Werke Schweizer Provenienz, wie die klassischen Automatik-Kaliber Valjoux 7750, ETA 2824-2 und 2893-2 sowie das Handaufzugswerk Peseux 7001. Die etwas zierlichere "Lady Tridente" wird von einem ETA-Werk 2671 angetrieben.

Die "Teuflische" hat viele Gesichter

Waren schon die Modelle "Pegasus", "Klassik" und die großformatige "Scala" von einer ganz eigenständigen Designsprache geprägt, so trifft das allemal auf die im Jahr 2007 eingeführte "Diavolo"-Reihe zu. Einen "Teufelskerl" nannte ein Fachmagazin diesen Zeitmesser in Anlehnung an den diabolischen Namen. "Die Idee zur ‚Diavolo' kam, als ich über einen neuen Chronographen nachdachte. Manche Kunden wünschten sich einen Chrono mit kannelierter Lünette, so wie sie früher üblich war, im Laufe der Zeit dann aber irgendwann keine Rolle mehr spielte. Die elegante Kannelierung erinnert viele an die Armaturen in edlen Fahrzeugen vergangener Zeiten. Doch die "Teuflische" aus Würselen sollte nicht nur mit diesem leicht nostalgischen Gesicht daher kommen. "Wir entwarfen ein Basismodell mit drei auswechselbaren Lünetten, die mit dem Uhrengehäuse verschraubt sind", erläutert Marcell Kainz. Neben der kannelierten Lünette kann sich der Kunde zwischen einer Taucherring-Variante und einer Lünette mit geschliffenen Dreiecken entscheiden. Zusätzlich hat er die Wahl unter verschiedenen Zifferblättern und Armbändern aus Krokoleder oder Silikon. In allen Fällen gleich ist das Markenzeichen von Marcello C.: Der Vogel prangt unverkennbar auf der griffigen Krone - aus Superluminova und in schwarzen Kunstlack eingelassen.

Weshalb ausgerechnet ein Vogel als Markenzeichen? Marcell Kainz: "Für mich steht der Vogel für die Umweltfreundlichkeit einer mechanischen Uhr. Bei regelmäßiger Wartung wird ein mechanischer Zeitmesser Generationen überdauern. Denken Sie andererseits nur an die Berge von verbrauchten Batterien aus Quarzuhren, die regelmäßig entsorgt werden müssen". Keine Regel ohne Ausnahme: Die Taucheruhren "Nettuno" und "Tridente" werden von einem Dreizack als Markenzeichen geschmückt.

Mit der "Hydrox" kam nun die neueste Taucheruhr von Marcello C. auf den Markt - in der Werbung als "gefährlichste Taucheruhr der Welt" bezeichnet ("Raubt Dir den Atem"). Die "Hydrox" wird vom bewährten Klassiker ETA 2824-2 angetrieben. Sie ist mit Edelstahl- und Silikonband für knapp 1000 Euro erhältlich. Für das PVD-beschichtete schwarze Modell muss man hingegen etwas tiefer in die Tasche greifen.

Uhrenfreunde - seien es nun Hersteller oder Sammler - haben in aller Regel ein ganz besonderes Verhältnis zum Phänomen Zeit. So auch Marcell Kainz: "Die moderne Zeit rast. Wer macht sich schon bewusst, dass uns pro Tag 86.400 Sekunden Leben zur Verfügung stehen? Nicht gelebte, nicht gefühlte Zeit ist jedoch verloren. Zeit haben, ist Genuss, Lust und Luxus. Zeit gibt Sicherheit. Der Blick auf die Uhr schafft Klarheit," sagt der Unternehmer. Und wenn es dann noch eine Marcello C.-Uhr ist, auf die der geneigte Zeitgenosse schaut, dürfte dies Marcell Kainz doppelt freuen.

Wer das Haus des Uhrenbauers betritt, stößt nicht gleich auf großformatige Bilder von den neuesten Kreationen, sondern auf ein irisches Gedicht, das die Wand ziert: "Nimm Dir Zeit, um zu arbeiten, es ist der Preis des Erfolgs. Nimmt Dir Zeit, um nachzudenken, es ist die Quelle der Kraft. Nimmt Dir Zeit, um zu spielen, es ist das Geheimnis der Jugend. Nimmt Dir Zeit, um zu lesen, es ist die Grundlage des Wissens. Nimmt Dir Zeit, um freundlich zu sein, es ist das Tor zum Glücklichsein. Nimm Dir Zeit, um zu lieben, es ist die wahre Lebensfreude. Nimmt Dir Zeit, um froh zu sein, es ist die Musik der Seele".

Wenn Zeit also so kostbar ist, was liegt dann näher, als sie kostbar zu messen? Das ist keine Frage des Preises, sondern des persönlichen Geschmacks und der Vorlieben. Und die können täglich wechseln. Marcell Kainz tut sich deshalb schwer, seinen ganz persönlichen Favoriten aus seiner Kollektion auszuwählen. Selbst wenn er es täte, hätte er vermutlich schon morgen wieder einen anderen Favoriten.

Michael Brückner

Bild: Marcello C.

Archivbeitrag 07.03.2011
Aus unserem Shop


Empfohlen von Kathrin
Schmuck
Uhren