Jörg Schäfer warnt seine Besucher schon mal per E-Mail vor: "Sie werden die vermutlich kleinste Uhrenschmiede der Schweiz kennenlernen", beschreibt er bescheiden sein kleines Unternehmen "Unikatuhren" in Othmarsingen im Aargau. In seinem überschaubaren Atelier im ersten Stock seines Reihenhauses fertigt der gebürtige Chemnitzer individuelle Zeitmesser für Kenner, darunter Spezialitäten wie Einzeigeruhren und Fliegeruhren. Othmarsingen liegt in der Nähe des Städtchens Brugg.
Von Zürich aus erreicht man die kleine Gemeinde nach etwa einer halben Stunde Bahnfahrt. Dass hier in ländlicher Umgebung edle Zeitmesser entstehen, würde man nicht vermuten. Und tatsächlich sind die Uhren mit dem geflügelten "J" und dem schwungvoll darüber gelegten "S" (Initialen für Jörg Schäfer) zumindest außerhalb der Schweiz kaum bekannt. Seine JS Unikatuhren (www.unikatuhren.ch) fertigt Schäfer nach den individuellen Wünschen seiner Kunden. Für den bekannten Schweizer Sternekoch Renee Rischmeyer schuf Schäfer zum Beispiel eine aufwändige Armbanduhr mit zahlreichen Komplikationen. Andere Kunden beglückt er mit skelettierten Zeitmessern. Doch die meisten entscheiden sich für Einzeigeruhren und Fliegeruhren.
Die Gründe für diese Kundenpräferenzen sind für Schäfer leicht nachvollziehbar: "Fliegeruhren werden seit jeher von einem besonderen Mythos umgeben. Und die Einzeigeruhren symbolisieren einen ganz souveränen Umgang mit der Zeit. Den Trägern solcher Uhren kommt es nicht auf die Sekunde an", weiß der Othmarsinger Uhrenbauer. Die meisten Uhrenfreunde werden über Schäfers Einzeigeruhren auf die kleine Uhrenschmiede aufmerksam. Und natürlich über Empfehlungen. Geld für aufwändige Marketingkampagnen hat Schäfer nicht, denn zu seinen Prinzipien gehört es, hochwertige Uhren Schweizer Provenienz zu vergleichsweise günstigen Preisen anzubieten. Sowohl die Einzeigeruhr als auch die Fliegeruhr kosten jeweils um 800 Schweizer Franken, das entspricht etwa 625 Euro. "Manche sagen, ich könnte das Doppelte verlangen. Aber mir fehlt eben der große Markenname - noch", schmunzelt Schäfer.
Für rund 800 Euro erhält der Kunde eine Uhr, für die ausschließlich Teile aus der Schweiz und Deutschland verwendet werden. "Natürlich könnte ich in Asien einkaufen und dabei viel Geld sparen. Die Preisunterschiede sind schon enorm. Aber wirkliche Spitzenqualität bekommen sie eben nur in der Schweiz und Deutschland". Angetrieben werden die Schäfer-Unikatuhren von alten Bekannten: In den Automatikuhren tickt das Kaliber ETA 2824-2, in die Handaufzuguhren wird das bewährte Unitas-Werk eingebaut. Aktuell sucht Jörg Schäfer nach einem anderen hochwertigen Werke-Hersteller, um die Abhängigkeit vom Marktführer ETA zu verringern. Fest steht aber: Auch künftig kommen nur hochwertige Schweizer Werke in Frage. Die Zifferblätter wiederum bezieht Schäfer von Gerhard Schätzle aus Deutschland. Das Traditionsunternehmen in Weil am Rhein beliefert zahlreiche namhafte Hersteller der Uhrenbranche, darunter Nomos Glashütte.
Einen weiteren Partner hat Jörg Schäfer in dem russischen Unternehmer und Uhrenliebhaber Igor Parfenov gefunden. Gemeinsam mit ihm startete er die Kollektion "Own Edition". Der Name ist Programm, immerhin können die Käufer dieser Uhren ihren eigenen Namen auf dem Zifferblatt platzieren lassen. Im Laufe des Jahres sollen in dieser Reihe auch Flieger- und Einzeigeruhren angeboten werden. Vor allem die von einem russischen Grafiker entworfene Einzeigeruhr dürfte für Aufmerksamkeit sorgen, unterscheidet sie sich doch erheblich von den auf dem Markt befindlichen Modellen. Der äußere Ring der Uhr zeigt die Stunden an, der Ring darunter die Minuten in 15-Minuten-Schritten. Dank der feinen Skala des dritten Rings lässt sich die Uhrzeit mindestens auf fünf Minuten genau ablesen. Der innere blaue Ring zeigt das Datum an. Das Ganze erinnert an ein kleines Tresorschloss. "Und genau deshalb nennen wir dieses Modell ‚Banker'", sagt Jörg Schäfer. Etwa ab Sommer soll die neue Einzeiger-Uhr verfügbar sein.
Michael Brückner
Bild: Archiv Brückner
Archivbeitrag 10.03.2011