Andere sprechen von Entschleunigung, wenn sie ihre Einzeiger-Uhren preisen. Manuel Neuhaus hingegen hat seine JANUS DoubleSpeed beschleunigt. In sechs Stunden wandert der Zeiger einmal übers Zifferblatt. Dadurch wird die Ablesbarkeit entscheidend verbessert. Wir wollten uns davon und von den vielen anderen raffinierten Features dieser Uhr überzeugen und besuchten Neuhaus in Augsburg.
Die Geschichte von der Inspiration unter dem Sonnenschirm nimmt Manuel Neuhaus auf seinen Eid. Genauso sei es gewesen, versichert der gelernte Grafiker und heutige Augsburger Uhren-Entwickler. Und tatsächlich klingt es wie eine etwas klischeehafte Marketing-Story: Da macht ein deutscher Kreativer Urlaub in Italien, liegt relaxt am Meer und wird beim Anblick des Sonnenschirms an das Zifferblatt einer Uhr erinnert. Und plötzlich ist sie da - die Inspiration, aus der eine ganz ungewöhnliche Uhr werden sollte - die JANUS DoubleSpeed.
Manuel Neuhaus, der schon immer eine ausgeprägte Affinität zu Uhren hatte, war sich von Anfang an über eines im Klaren: Wenn er schon seine eigene Uhr kreierte, dann durfte es keiner dieser austauschbaren Mainstream-Ticker sein, die kaum noch voneinander zu unterscheiden sind, ganz gleich, welche Markennamen diese Zeitmesser tragen.
Eine Einzeiger-Uhr sollte es sein. Die Idee, auf Minuten- und Sekundenzeiger zu verzichten, ist dabei keineswegs neu - ganz im Gegenteil. Tatsächlich kamen die ersten tragbaren mechanischen Uhren des ausgehenden 17. Jahrhunderts mit nur einem Zeiger auf den Markt. Bis heute gibt es zudem alte Turmuhren, die lediglich die Stunden anzeigen. Und sogar die Souscriptionsuhr von Altmeister Abraham Louis Breguet (1747 bis 1829) kam mit nur einem Zeiger aus.
Einzeigeruhren bedienen bis heute eine Nische, keine Frage. Aber in dieser Nische gibt es mehr Uhrenfreunde, als man annehmen sollte. Jahr für Jahr werden solche Uhren in fünfstelligen Stückzahlen an Menschen verkauft, die sich einen entspannten Umgang mit der Zeit gönnen möchten.
Doch längst nicht jeder entspannt beim Blick auf eine Einzeigeruhr, manche nervt es sogar, wenn sie nie die wirklich genaue Zeit ablesen können. Der Marktführer im Segment der Einzeigeruhren hat gleichsam aus der Not eine Tugend gemacht. Er spricht vom "Charme des Ungefähren". Wer will schließlich schon wissen, ob es 17.41 oder 17.44 Uhr ist? Man geht eben einfach fünf Minuten früher zum Bahnhof - und verpasst garantiert keinen Zug, verspricht der große Mitbewerber von Neuhaus.
Das mit dem Charme kann auch Manuel Neuhaus nachempfinden. Für ihn war es eine besondere Herausforderung, die alte Tradition der Einzeigeruhr neu zu interpretieren. Aber allzu sehr im Ungefähren wollte der Augsburger mit seinen Zeitmessern nicht bleiben. Etwas genauer und alltagstauglicher als bei den herkömmlichen Einzeigeruhren sollte es schon sein. "Unter dem Sonnenschirm in Italien hatte ich dann mein ‚Heureka'-Erlebnis", erinnert sich Neuhaus. "Der Zeiger muss sich einfach schneller drehen."
Wir besuchten Manuel Neuhaus in der Fuggerstadt und ließen uns das Prinzip erklären. Die Zifferblätter der meisten Uhren mit Analog-Anzeige sind bekanntlich in zwölf Stunden eingeteilt. Der Stundenzeiger dreht also im Laufe des Tages zweimal seine Runde. Stehen die Zeiger auf "5-Uhr", dann wissen wir, dass es entweder 5 Uhr morgens oder 5 Uhr nachmittags ist. Wird auf den Minutenzeiger verzichtet, dann kann man selbst bei einer sehr feinen Skalierung und einem Stundenzeiger, der einer Tachonadel gleicht, die Zeit nur ungefähr ablesen.
Die Idee von Manuel Neuhaus bestand nun darin, das Zifferblatt seiner Einzeigeruhr nicht in 12, sondern in zweimal 6 Stunden aufzuteilen und den Stundenzeiger entsprechend schneller laufen zu lassen. "Der Zeiger dreht sich in sechs Stunden um 360 Grad", erläutert Neuhaus. Der Augsburger hat die Einzeigeruhr - für viele ein Instrument der Entschleunigung - letztlich beschleunigt. Der Vorteil: Wenn das Zifferblatt statt in 12 nur in 6 Stundensektoren unterteilt ist, bleibt mehr Raum zwischen den Stunden. "Diese Zwischenräume sind unterteilt in halbe Stunden, Viertelstunden und Fünf-Minuten-Bereiche. Diese Sektoren sind wegen der doppelten Geschwindigkeit alle doppelt so groß wie normalerweise und deshalb optimal ablesbar", erklärt Neuhaus das Prinzip seiner Einzeigeruhr. Für jede Stunde gibt es zwei Ziffern, zum Beispiel 01 und 07. Ob es nun 1 oder 7 Uhr ist, muss der Träger selbst entscheiden. Aber soviel Zeitgefühl dürfte jeder aufbringen - notfalls hilft ein Blick aus dem Fenster.
Nach seinem "Heureka"-Erlebnis suchte der Augsburger nach professioneller Hilfe bei der Umsetzung seiner Idee. Auf der Baselworld, der weltweit führenden Uhrenmesse, knüpfte er zwar zahlreiche Kontakte und berichtete begeistert von seiner Uhreninnovation, doch die Vertreter der etablierten Marken schauten den Newcomer aus Bayern an, als käme er von einem anderen Stern. Schließlich lernte er aber einen in der Szene bestens bekannten deutschen Uhrenexperten kennen, der wertvolle "Entwicklungshilfe" leistete und die nötigen Kontakte zu den Zulieferern herstellte. "Seither arbeiten wir nur mit alteingesessenen und renommierten Firmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich zusammen", betont Neuhaus.
Angetrieben wird die JANUS DoubleSpeed vom bewährten und entsprechend beschleunigten Eta Unitas 6498-Kaliber, veredelt mit Genfer Streifen und gebläuten Schrauben. Die Leder- oder Milanaise-Armbänder kommen von Hirsch in Klagenfurt - und damit von einer der ersten Adressen. Gehäuse, Krone, Gläser, Zifferblatt und Zeiger wiederum sind "Made in Germany".
Aus einer Idee und diesen Einzelteilen entstand somit im Jahr 2010 die Einzeigeruhr JANUS DoubleSpeed, die Neuhaus derzeit nur auf Messen, über das Internet oder direkt an seinem Geschäftssitz in Augsburg verkauft. Weitere Vertriebswege könnten bald folgen. Die JANUS DoubleSpeed gibt es mit schwarzem und silbernem Zifferblatt. Beide Varianten sind auf jeweils 100 Stück limitiert. Standardmäßig kommt die Uhr mit einem hochwertigen Milanaise-Edelstahlband. Alternativ dazu hat der Käufer die Wahl zwischen einem braunen Alligator-Band und einem schwarzen Rind-Lederband. Die Uhren kosten zwischen 2340 und 2490 Euro.
"Jede Uhr, die unser Haus verlässt, ist auf der Rückseite mit dem Herstellungsjahr, einer Modellnummer sowie einer fortlaufenden Seriennummer ausgestattet, die bei uns zusammen mit dem Namen des Käufers gespeichert wird," verspricht Manuel Neuhaus. Um den After-Sales-Service kümmert sich ein erfahrener Uhrmachermeister, der die JANUS DoubleSpeed kennt wie seine Westentasche.
Doch wie kommt diese außergewöhnliche Uhr zu ihrem ungewöhnlichen Namen? "DoubleSpeed" wird sich noch jedem erschließen, der das Prinzip dieses Zeitmessers kennt. Aber wieso Janus? Was hat der zweigesichtige römische Gott des Anfangs und des Endes mit dieser Uhr zu tun?
Manuel Neuhaus erklärt, wie es zu diesem Namen kommt: "Die Uhr hat ein Tages- und ein Nachtgesicht. Wir haben eine innovative Nachtsichtlösung entwickelt, die erst bei Dunkelheit richtig sichtbar wird und das filigrane Zifferblattdesign nicht stört. Dies geschieht, indem die weiße Leuchtfarbe auf einen mattsilbernen Ring außerhalb des Zifferblatts aufgetragen wird, der tagsüber ebenfalls weiß ist, nachts aber die dunkle Umgebung reflektiert und so einen guten Kontrast für die nun leuchtenden Farbpunkte bietet."
Beim "Tagesgesicht" der JANUS DoubleSpeed fallen in der unteren Hälfte des Zifferblatts drei kleine Fenster auf. Dahinter dreht sich eine schwarz-weiß bedruckte Scheibe. Der Farbwechsel dauert zwei Sekunden. "Dies ist eine neuartige Gangindikation. Der Träger sieht damit sofort, ob seine Uhr läuft. Ein Sekundenzeiger, der bei einer konventionellen Dreizeiger-Uhr die Arbeit des Werkes erkennen lässt, macht bei einer Einzeiger-Uhr, ohne einzelne Minuten, keinen Sinn. Gleichzeitig verlangt der sehr langsam drehende Stundenzeiger nach einer zuverlässigen Gangindikation", erklärt Manuel Neuhaus.
Und erst einmal dabei, erläutert er uns ein weiteres raffiniertes Detail. Die Aufzugskrone der JANUS DoubleSpeed ist mit einem Gummiring ummantelt. Das schont die Finger beim Aufzug des Werkes und vermittelt ein softes und präzises Aufzugsgefühl. Bei einer Handaufzugsuhr sicher recht sinnvoll.
Bleibt die Frage, wann sich Manuel Neuhaus erneut unter den Sonnenschirm legt, um über Uhren-Innovationen nachzudenken. "Nicht notwendig, auch hier im schönen Augsburg hatte ich bereits die eine oder andere Idee". Eine davon hat er inzwischen verwirklicht. Für Kunden, die zwar von den JANUS-Features angetan sind, aber nicht unbedingt eine Einzeiger-Uhr mögen, gibt es seit kurzem die JANUS minimal. Diese Zweizeigeruhr ist auf 100 Stück limitiert und ab 1740 Euro zu haben. Derzeit gibt es Neuhaus-Uhren nur im Direktvertrieb über www. Neuhaus.com
Michael Brückner/ Bilder: Neuhaus Investing Timepieces
Archivbeitrag 19.08.2013