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Indianerschmuck (1): Hintergrundwissen

Seit die Menschen ein eigenes Bewusstsein entwickelt haben, solange gibt es Schmuck. Seit der frühesten Menschheit stellen die Menschen Schmuck her, zahlreiche archäologische Funde sprechen dafür, als Grabbeigabe oder durch zufällig gefundene Schmuckelemente.

Als das Metall entdeckt wurde, wuchs auch die Fertigkeit in der Schmuckherstellung, was uns die alten Hochkulturen, insbesondere die Babylonier und die Ägypter bewiesen haben. Doch diese Idee, Schmuck auch aus Metall zu fertigen, keimte auf dem nordamerikanischen Kontinent erst Jahrtausende später auf. Doch dafür prägte dann die neue Fertigkeit der Natives ganze Regionen und erlebte einen bis heute nicht gebremsten Siegeszug.

Kein anderer Schmuckstil ist heute so markant wie derjenige der eingeborenen Stämme im Südwesten der USA. Seine robuste Eleganz und die Verbindung und Liebe zur Natur, die ihre Schmuckstücke ausstrahlen, sind wohl einzigartig. Nicht zu unrecht, ging doch eine rasante Entwicklung voran, die im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ihre zarten Anfänge nahm. Danksagungen an die Natur, Hoffnungen, Ängste, Beschwörungen und Schutz werden in kleine Kunststücke gebannt, jedes ist auf seine Weise einzigartig.

Der strahlend himmelblaue, bis ins grünlich-gräulich variierende Türkis unterstreicht - kombiniert mit Koralle oder anderen Steinen in Silber gefasst - die Schönheit des Metalls oder wird perfekt in Symbiose mit Metall in Intarsienarbeiten eingeschliffen und ergeben so herrliche Storyteller.

Doch so vielgeliebt „Indianerschmuck“ auch ist, so oft wird er kopiert. Oftmals mehr schlecht als recht, Kopien aus Mexiko, Japan, Italien und anderen Industrieländern, auch hier aus Deutschland, der in Shoppingsendern als so genannten original Indianerschmuck verkauft wird und unwissenden Käufern teilweise bewusst untergejubelt wird.

Doch traditioneller Schmuck ist nicht einfach nur zum schmücken da. Er ist heute eine wichtige Einnahmequelle der Natives und darüber hinaus noch immer ein Zahlungsmittel untereinander. Jedoch versinkt dieses auch immer mehr zugunsten allgemeingültiger Zahlungsmittel. Aber er soll auch den Wohlstand des Trägers zur Schau tragen, meist in Kombination mit übertrieben vielen ähnlichen Schmuckstücken.

Anfänge des traditionellen Silberschmuckes

Bild Traditioneller Needlepoint
Traditioneller Needlepoint

Die Spanier brachten schon länger die Kunst der Metallverarbeitung nach Mittelamerika, einheimische mexikanische Schmiede erlernten die Kunst der Schmuckherstellung in Silber und breiteten sie aus. Silber wurde in Mittelamerika seit der Renaissance in Tonnen gefördert, so das Silber zu einem relativ billigen Material wurde und sich der Silberpreis bis dahin nicht mehr richtig erholt hatte. Die mexikanischen Silberschmiede brachten die neue Idee, Schmuck aus Silber herzustellen in den Südwesten der heutigen USA, in das Vierländereck Utah, Colorado, Arizona und New Mexico.

Zunächst arbeiteten die indianischen Silberschmiede der Navajo und dann die der Pueblo mit Sandguss (Sandcast) und mit einer Silberlegierung, die härter war, als das heute benutzte Sterlingsilber. Sie kreierten zunächst mit eigenen Ideen ein Design in den Sand oder das feuchte Lavagestein und gossen dann das flüssige Silber hinein. Mit Feilen polierten sie das Schmuckstück dann in Form und mit Meißeln kratzten sie einfache Muster in das Silber und erschufen Armreifen und Ringe. Auch adaptierten sie die Idee der mexikanischen Leder-Punzierung auf den Silberschmuck. Selbstverständlich verwendeten die Natives schon seit Jahrtausenden Materialien ihrer Umgebung zur Schmuckverarbeitung, Muscheln wurden nachweislich schon seit 6000 v. Chr. verarbeitet. Türkis ist gar bis heute ein heiliger Stein, jedoch enthielten die ersten Silberschmuckstücke keine Steine, da den Silberschmieden die Technik des Lötens noch unbekannt war und sie deshalb unfähig waren, Steine in Metall zu fassen.

Zwischen 1880 und 1900 brachte allerdings die Expansion der Eisenbahn neue und verbesserte Werkzeuge in das Gebiet der Silberschmiede. So wurden Schmuckstücke nun von unten gehämmert um einzigartige Muster zu schaffen, sie wurden filigraner und man erlernte auch das Verarbeiten von Steinen. Doch trennten sich nun die Stilrichtungen nach Stämmen und so blieben die Navajo und die Hopi bei der Silberverarbeitung, die Zuni waren und sind noch immer die Steinschleifer.

Die Schmuck herstellenden Stämme im Südwesten, oder: Wieso sie tun, was sie tun

Bild Klassische Shaddowbox
Klassische Shaddowbox

Die NavajoDie ZuniDie HopiHeishi - Die Santo Domingo

Die Navajo waren die ersten, die die Kunst der Silberverarbeitung erlernten. Nachdem mit der Eisenbahn bessere Werkzeuge und neue Techniken Einzug hielten, fächerte sich auch das Leistungsspektrum auf und die Stämme spezialisierten sich, je nach Verfügbarkeit der Materialien und geografischer Standort auf verschiedene Arbeitsgänge und Stile.

Die Navajo waren am Anfang nicht in der Lage, Steine selber zu schneiden und zu schleifen, da sie meist in Kleingruppen nomadenartig umherzogen und sie so selten fliessendes Wasser und keine Elektrizität zur Verfügung hatten um die Steine zu bearbeiten. Sie bezogen sie von den im Hauptpueblo lebenden, sesshaften Zuni, deren Wohnstätten mit Elektrizität ausgestattet waren und obendrein noch den Vorzug des fliessenden Wassers hatten. Doch sie kombinierten die gebohrten und zugeschnittenen Steine raffiniert, mit den neu erlernten Techniken und verfeinerten die Schmuckstücke. Sie verarbeiteten Silbermünzen zu Grundlagen der Schmuckstücke oder schmolzen sie kurzerhand ein. Doch verbot die Regierung der USA diese Praxis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.

Auch das Eintauchen des silbernen Schmuckstückes in ein Schwefelbad zur Oxidation entdeckten sie zu diesem Zeitpunkt und es entstand so eine weitere interessante Technik -Shaddowbox oder wörtlich, Schattenbox. Dabei wird die Grundplatte des Stückes oxidiert und der zweite Teil des Silberbleches des Stückes so in Form gebracht, dass eine kleine Silberschachtel entsteht, in der meist ein Steinchen eingebracht ist.

Die Zuni erlernten recht spät die Kunst des Silberschmiedens von den Navajo und banden ihre schon jahrhunderte alte Technik des Muschelmosaik - sehr verfeinert - in ihre Schmuckstücke ein. Traditionsgemäss schnitzten sie schon seit je her Fetischtiere, das sind Schutzgeister und Götter ihres Stammes, aber auch Glücksbringer aus Edelsteinen. An den historischen Lagerplätzen ihrer Vorfahren, den Anasazi fanden die Archäologen Muschelfragmente, Türkise und andere Materialien, die bei Riten gebraucht worden waren und sich im neu entdeckten Schmuck manifestiert hatten. Doch ist ein durchbohrter Fetisch und als Schmuck getragen kein Fetisch mehr, sondern einfach nur noch ein Schmuckstück. Die echten Fetische werden in kleinen geflochtenen Schälchen aufbewahrt und mit allerhand Steinen und auch Essbarem gefüttert, sogar mit kleinen Edelsteinnuggets.

Das eigentliche Merkmal des Zuni-Schmuckes waren damals wie heute die Inlay- oder Intarsien-Arbeiten. Dabei werden Steine, Muscheln, Korallen und andere verfügbare, ästhetisch wertvolle Materialien passgenau und manchmal in Mikroteilchen aneinandergefügt und in ein Silberschmuckstück eingesetzt, so dass ein Bild, stilisierter oder geometrischer Natur entsteht. Eine am Schluss im Ganzen geschliffene und polierte Oberfläche verleiht dem Stück ein harmonisches Finish. Dabei ergeben sich prachtvolle, kleine Kunstwerke, die ihresgleichen in der Steinverarbeitung suchen. Ein sehr beliebtes Motiv dabei ist der Sundancer, ein stilisiertes Gesicht aus Perlmutt, Türkis, Koralle und Onyx.

Genauso populär wie beliebt ist die Needlepoint-Technik, bei der Steine zu spitzen, kleinen Nadeln geschnitten und geschliffen werden und die dann in einer geometrischen Form, jede Steinnadel in einer eigenen Fassung, angeordnet werden. Die Petitpoint-Technik ist eine Abwandlung des Needlepoint, bei der die Steine in Kügelchen, Tropfen oder andere kleine Formen geschliffen und angeordnet werden.. Die Grösse der Silbermünzen, die ehemals zur Schmuckverarbeitung verwendet wurden, hält sich bis heute in Form der Needlepoint- oder Petitpoint-Blüten. Jedoch erlangen speziell die Oberseite von Armreifen manchmal einen beachtlichen Durchmesser, wenn sich der Silberschmied von früheren Jahren inspiriert fühlt.

Die Hopi, die ihre Fertigkeiten im Silberschmieden von den Zuni erlernten, setzten sich erst relativ spät in den 1930er Jahren mit ihrem Stil ab und zogen sich wieder in die Arizona Tafelberge zurück. Ihr Schmuck drückt anders als der, der übrigen Stämme, eine leichte Jungfräulichkeit gegenüber der westlichen Welt aus. Bis vor wenigen Jahren konnte man die Pueblos der Hopi, auf deren Gebiet schon ihre Vorfahren lebten, nur auf komplizierten Wegen erreichen.

Ursprünglich tauschten sie sich mit den Zuni aus und verfeinerten ihre Kunstfertigkeit bei der Fertigung von Kachina-Puppen, von Töpferwaren, der Textilweberei und des Körbe Flechtens und erlernten so auch die Techniken der Zuni im Silber schmieden.

Die Hopi nutzen die Silver-Overlay-Technik, dabei wird eine Lage geschmiedet und im Schwefelbad oxidiert, danach wird eine zweite Lage der gleichen Grösse noch einmal geschmiedet und in feinster und präzisester Detailarbeit ausgesägt. Danach wird die zweite Lage auf die geschwärzte Lage aufgearbeitet. Die Hopi nutzen dazu uralte, teils Tausende Jahre in die Vergangenheit reichende Symbole und Zeichen, die über die Zeit unverändert blieben. Meist setzen die Hopi keine Steine ein, anders als die Zuni und die Navajo, die das Silber nur als „Bühne“ für den Stein sehen, sehen sie Silber in seiner ästhetischsten Form ohne Steine. Jedoch machen sie auch von der Technik des Steinmosaik gebrauch und so werden in die gesägten Formen Steinsplitter in Mosaikform eingesetzt und mit Harz versiegelt.

Auch die Navajo versuchen sich an der Silver-Overlay-Technik, jedoch kommen sie an Detailtreue und Qualität nicht an die Arbeit der Hopi heran.

Eine Besonderheit des traditionellen Schmuckes in Erscheinung und Fertigungstechnik stellt der so genannte Heishi-Schmuck dar, den die Santo Domingo Natives herstellen. Schon Jahrhunderte vor Ankunft der Spanier stellten sie diese Ketten in aufwändiger Handarbeit her, doch sie haben sich durch fast zwei Jahrhunderte neben dem neu entwickelten Silberschmuck behauptet. Vor der Verwendung als Schmuck wurden sie zu zeremoniellen Tänzen getragen, die Santo Domingo hatten sehr viel Zeit, ihre Fertigungstechnik zu verbessern und zu verfeinern.

Muscheln werden gesammelt, in kleine Quadrate geschnitten, gebohrt und dann aufgereiht. Danach werden sie entweder maschinell gleichmäßig und auf einmal rund geschliffen oder sie werden traditionell - aber nur noch sehr selten - zeitraubend zwischen Sandsteinplatten gerollt. Es werden neben verschiedenen Muscheln auch Korallen, Türkise und andere Edelsteine, die jedoch dicker sind, als das Muschelplättchen, benutzt. Oftmals übernimmt eine ganze Familie die Fertigung des Schmuckes, jedes Familienmitglied führt einen Arbeitsgang aus.

Vor dem grossen Tourismusstrom Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Plättchen im Durchmesser etwa 6, 4 Millimeter, grösser als sie es heute sind! Jedoch brachte der Tourismus die Santo Domingos auch dazu, ihre Stilelemente mit denen der Zuni und der Navajo anzupassen, so das bei ihnen kaum mehr von einem eigenen Stil gesprochen werden kann.

 

Hier geht es weiter mit Teil 2 und in Kürze erscheint Teil 3.
Spezieller Dank an Sandra Neuser, auch bekannt als Xia in unserem Schmuckforum.

Archivbeitrag 08.09.2011
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