Wer hat nicht schon von El Dorado gehört, jenem sagenumwobenen Ort, an dem sich unvorstellbare Mengen an Gold befinden sollen, den Ort, der die spanischen Eroberer, die Conquistadores nach Südamerika und in einen irrwitzigen Goldrausch trieb. Dabei war El Dorado eigentlich nie ein Ort oder ein Land, sondern die Bezeichnung für ein Ritual rund um den Herrscher eines kolumbianischen Indianerstammes - die Muisca. Sie gelten gemeinhin als Begründer eines Goldkultes, der zusammen mit vielen anderen frühkolumbianischen Kulturen jene wundervollen goldenen Schmuckstücke, die "Precolombinos" hervorgebracht hat, deren Originale das kolumbianische Museo del Oro in Bogotà zieren. Hierzulande sind diese Schmuckstücke als originalgetreue Imitationen wieder zu finden.
Sonnen, oft in zwei Hälften geteilt, verschiedenste Tiere (vor allem der Frosch als Fruchtbarkeitssymbol), Fächerformen und anthropomorphe Gestalten, jene vermenschlichte Darstellung von Göttern sind die häufigsten Motive, die den präkolumbianischen Schmuck kennzeichnen, dessen Anfänge auf das 300 Jahrhundert datiert werden. Damals waren es jedoch keine zierlichen Schmuckstücke, die sich komfortabel an Hals, Ohr oder Handgelenk tragen lassen, sondern stattliche, massivgoldene Opfergaben. Und da wäre sie schon wieder, die Legende von El Dorado, die Historikern zu Folge in der Lagune von Guatavita, in der Nähe des heutigen Bogotà ihren Anfang nimmt. Dieser Legende nach brachte jeder neue Herrscher des Muiscastammes dem Sonnengott ein üppiges Goldopfer dar.
Der Indianerhäuptling salbte seinen Körper mit aromatischen Ölen. Dann bestreute er sich mit Goldstaub, der an seiner Haut kleben blieb und ihn in eine lebende Goldstatue verwandelte. Und so fuhr er mit einem Floß, begleitet von seinen Vasallen in die Mitte des Bergsees Guatavita. Verschiedenste Gegenstände aus Gold (u.a. die oben genannten Motive) und reichlich Edelsteine befanden sich ebenfalls auf diesem Floß und wurden dem Gott als erstes geopfert - man warf sie schlicht in den See. Zu Letzt tauchte dann auch der Herrscher selbst in den Guatavita. Wie gesagt, eine Legende, die an unterschiedlichen Quellen auch ganz verschieden wiedergegeben wird.
Als vermeintlicher Beweis für diese Zeremonie dient das Goldfloß von El Dorado, das "balsa musica", das sich auch im Goldmuseum von Bogotà befindet.
Die bekanntesten Schmuckmotive sind jedoch einem anderen Stamm, den Tairona zuzuordnen. Sie lebten zwischen 700 und 1600 n. Chr. im Norden Kolumbiens in der heute geschützten Sierra Nevada de Santa Marta. Aus dieser Zeit stammt auch die heute als Wachsauschmelzverfahren bekannte Herstellungstechnik von Schmuck. Dabei wird die herzustellende Form plastisch in Wachs mit Einguss- und Entlüftungskanälen gearbeitet. Dieses Objekt wird dann mit einer Einbettmasse ummantelt, aus der die sogenannte "Grünform" ausgeschmolzen wird. Das Urmodell geht dabei verloren. "Daher nannten die Indianerstämme Kolumbiens dieses Verfahren schon "verlorenes Wachs" oder auf spanisch "sira perdida", erklärt Esperanza del Real, die heute in Deutschland die in einer Kupfer-Zink-Legierung gearbeiteten und schließlich 24Karat vergoldeten Repliken der Precolombinos vertreibt. Bei dem damaligen Verfahren ging jedoch nicht nur das Wachsmodell sondern auch die Gussform verloren. Sie musste zerschlagen werden, um das gegossene Objekt entgegenzunehmen.
Insgesamt sind 13 indianische Stämme in Südamerika bekannt, die vergleichbare Schmuckformen in ähnlicher Technik hergestellt haben - die Nachbearbeitung mit Hämmern und Sticheln mit eingeschlossen.
Vor allem die eingangs beschriebene Legende der El Dorado-Zeremonie hat die spanischen Eroberer nachhaltig beeinflusst. Die Gier nach dem Gold, das die Indianer mühsam aus den Flussbetten ihrer Heimat gewannen ist als die Triebfeder des Eroberungsdrangs zu betrachten. Interessanterweise nahmen es die Spanischen Conquistadores dabei mit der Lokalisierung des vermeintlichen Lagerortes des Goldes nicht ganz so genau. Sie "verlegten" El Dorado mit Zeit vom Bergsee Guatavite an die verschiedensten Orte. Mal war es ein Tempel, mal eine im Urwald versunkene Stadt. Immerhin entdeckten Gonzalo Pizarro und seine Mannen bei der Suche nach dem Gold eher unfreiwillig den Amazonas.
Dennoch war die Gier der Eroberer vielerorts von Erfolg gekrönt. Unmengen Gold schafften sie nach Europa. Daher versuchten die Indianer, möglichst viele Stücke vor den Spaniern zu versteckten. Diese Verstecke sind heute als "Guacas" bekannt - es ist also kein Zufall, dass der präkolumbianische Schmuck heute unter dem Namen "La Guaca" angeboten wird.
Archivbeitrag 30.06.2011