Clevere Frauen entscheiden sich bei der Wahl ihres Lieblingsjuweliers jedoch am besten für einen Kandidaten, der neben Geschmeiden auch technisch und optisch ansprechende Herrenuhren im Sortiment hat. Denn mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse und wenn Frau Glück hat, vergisst der Liebste beim Betrachten und Ausprobieren all der herrlichen Chronographen, dass seine Partnerin sich gerade die Anzahlung für das neue Familienauto um den Hals gelegt hat.Ein besonders talentierter Vertreter dieser Gattung war der Franzose Léon Hatot.
Am 22. April 1883 in Châtillon-sur-Seine geboren, entdeckte er schon früh seine Leidenschaft für Uhren und besuchte bereits mit 12 Jahren die Uhrmacherschule in Besançon und später die dortige „Ecole des Beaux-Arts. Sehr jung machte sich Hatot 1905 selbständig und spezialisierte sich auf das Gravieren von Uhrengehäusen. Er gründete bald eine Werkstatt für Uhrmacher- und Juwelierkunst. Hier produzierte er mit einem Dutzend Handwerkern Uhren von hoher Qualität, wobei besonders Edelmetalle verwendet wurden.Bald etablierte sich der junge Künstler auch in Paris, wo er die Nachfolge des Hauses „Bredillard“ antrat. Gleichzeitig behielt er seine Werkstatt in Besançon bei. In dieser und der darauf folgenden Zeit wurde er einer von wenigen Künstlern, die sowohl Armbanduhren, als auch Schmuckstücke herstellten. Als Lieferant der wichtigsten Häuser der „Rue de la Paix“ erwähnte ihn die Zeitschrift „La France horlogère“ in einem Sonderteil mit der Bemerkung: „Hatot - Unternehmer und Goldschmied“. Neugierig und zugleich zukunftsorientiert, interessiert sich Hatot sehr früh für die Anwendung der Elektrizität in Uhren und gründet im Jahr 1920 eine Abteilung, die sich auf die Forschung und Entwicklung von batteriebetriebenen Pendeluhren spezialisieren sollte. Ab 1923 werden Léon Hatots elektrische Pendeluhren schließlich unter dem Namen „ATO“ vertrieben und haben seit ihrem Erscheinen auf dem Markt einen beispiellosen Erfolg. Auf der „Exposition internationale des arts decoratifs“ im Jahre 1925, gewinnt Léon Hatot einen „Grand Prix“ für sein gesamtes Fabrikationsprogramm elektrischer Uhren. Diese sind in Marmor oder verchromtem Metall eingefasst und in Gehäuse mit Intarsienarbeiten aus wertvollen Hölzern eingebaut. Manche auch in Gehäusen aus in Form gegossenem Glas, die in den Werkstätten von Lalique entworfen wurden.Im Jahr 1929 macht Léon Hatot eine seiner wichtigsten Erfindungen: die Armbanduhr "Rolls" mit automatischem Aufzug. Die Vorrichtung, durch die sich das Werk bei der kleinsten Bewegung des Arms aufzieht, wird im Inneren des Gehäuses durch Kugeln hin- und hergeschoben, die sich zwischen zwei Gleitflächen bewegen. Ihr wirtschaftlicher Erfolg wurde durch die Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 jedoch verhindert.
Während der 20er Jahre gab Léon Hatot weder seine Pariser Juwelierwerksatt noch seine Werkstatt für die Herstellung von wertvollen Schmuckuhren auf. Ihre Leitung übergab er 1926 an Edouard Dietsch, seinen Schwiegersohn. Die Manufaktur erfuhr nun einen neuen Aufschwung, der es erlaubte, mit dem Gewinn aus dem Verkauf der ATO Uhren die kostspieligen Forschungsarbeiten im Bereich der Elektrouhren zu finanzieren. Diese Arbeiten führte Léon Hatot mit seinem Freund Marius Lavet durch, die bald schon durch eine spektakuläre Erfindung gekrönt wurden - die elektrische Pendeluhr „ATO-RADIOLA2“ mit automatischer Synchronisation durch Radiowellen. Die Synchronisation erfolgte in einem Umkreis von 250 km mit dem Zeitsignal, das regelmäßig vom Eifelturm, oder vom Sender "Radio-Paris", während eines seiner Konzerte ausgesendet wurde. Es genügte also, dass der Besitzer einer solchen Uhr mindestens einmal pro Woche sein Radio einschaltete, damit seine Uhr auf die richtige Zeit eingestellt wurde. Dieser triumphale Erfolg sorgte fortan für einen steten Strom reicher und kauffreudiger Kundschaft. Besonders anziehend wirkten dabei die hochwertigen Armbanduhren und Schmuckstücke, auf die sich Edouard Dietsch spezialisiert hatte. Die Blüte dieses Hauses war allerdings nur von kurzer Dauer. Wie alle Luxusindustrien erfuhr sie ihren Niedergang durch die Weltwirtschaftskrise, die durch den amerikanischen Börsenkrach von 1929 ausgelöst wurde. Die technische Revolution, welche die Erfindung des Transistors für die Uhrmacherei mit sich brachte, durfte Hatot jedoch nicht mehr erleben. Nur wenige Tage vor seinem Tod am 11. September 1953, erfuhr er von den ersten Prototypen in seinen Forschungsabteilungen, die ohne mechanische Kontakte funktionierten und er erahnte ihren Erfolg...
Der gesamte Uhren- und Schmuckbestand, der seit der Kriegserklärung zum 2. Weltkrieg in einem Bankdepot unversehrt aufbewahrt worden war, wurde bei den öffentlichen Versteigerungen des Auktionshauses Christie's in Genf am 1. Mai 1989 in alle Welt zerstreut. Die wertvollen Archive des Hauses Hatot, insbesondere nahezu 5000 großartig kolorierte Zeichnungen im Art Déco Stil, sind heute im Besitz der neuen Firma Léon Hatot, die mittlerweile Mitglied der „Swatch Group“ ist und die alten Schmuck-Entwürfe Hatots seit einigen Jahren wieder neu auflegt. Da heißt es sich nun warm anziehen und mit dem Liebsten einen Schmuck- und Uhren-Bummel vorbei an winterlich erleuchteten Luxus-Vitrinen zu machen. Ein Tipp noch: lassen sie den dicken Geldbeutel zu Hause, die Platin-Kreditkarte tut es ja schließlich auch und trägt nicht so auf...
Archivbeitrag 28.08.2013